Zukunft der Gesundheitsversorgung Top-Thema in der Bevölkerung

Berlin – Die Bevölkerung in Deutschland sieht offenbar in der Gesundheitsversorgung und bei der Pflege den größten politischen Handlungsbedarf nach der Bundestagswahl – noch vor Themen wie Wirtschaft oder Innere Sicherheit. Das geht aus einer Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes hervor, die heute in Berlin vorgestellt wurde.
Demnach sehen 48 Prozent der Befragten das Thema als wichtig für eine kommende Bundesregierung an, auf Platz zwei folgt mit 46 Prozent die wirtschaftliche Lage des Landes als Handlungsfeld. Vor allem Frauen (56 Prozent) stimmen zu, dass Gesundheit und Pflege wichtige Themen sind, 39 Prozent der befragten Männer sehen dies so.
Gleichzeitig sagen 61 Prozent der befragten Menschen in der Umfrage, die vom Institut Forsa Ende Dezember 2024 durchgeführt wurde, dass sie „nicht so genau Bescheid“ über die gesundheitspolitischen Vorhaben der Parteien im Bundestag wissen. Nur sieben Prozent erklärten, sie wüssten „gut Bescheid“ über die Positionen, 31 Prozent „einigermaßen“.
Auch das Vertrauen, künftig eine qualitativ hochwertige und bezahlbare gesundheitliche und medizinische Versorgung zu bekommen, sinkt: 50 Prozent haben laut Umfrage „eher weniger Vertrauen“, dass die gewohnte Versorgung erhalten bleibt, 10 Prozent geben „gar kein Vertrauen“ an, 36 Prozent haben „großes Vertrauen.“
Zufriedenheit mit der aktuellen Qualität der Gesundheitsversorgung äußern 45 Prozent der Befragten, „sehr zufrieden“ sind 10 Prozent, weniger zufrieden 34 Prozent und „gar nicht zufrieden“ sind zehn Prozent.
„Das Ergebnis mag angesichts der politischen Debattenlage und auch angesichts anderer Umfragen, in denen das Thema oft wenig Aufmerksamkeit erfährt, auf den ersten Blick vielleicht überraschen“, erklärte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, bei der Vorstellung der Umfrage und der politischen Positionen des Verbandes. Doch die „Dringlichkeit des Themas“ werde aus ihrer Sicht auch deutlich, wenn man auf die Diskussionen über die „historischen Beitragssprünge“ in den vergangenen Tagen blickt.
Gesundheit priorisieren
Um die gesundheitliche und pflegerische Versorgung wieder auf bessere Füße zu stellen, hat der AOK-Bundesverband heute auch seine gesundheitspolitischen Forderungen zur Bundestagswahl vorgestellt. „Wir fordern eine Priorisierung des Themas Gesundheit, es muss auf der politischen Agenda deutlich nach vorne rücken“, so Reimann.
Dabei will der AOK-Bundesverband vor allem bei der „sektorenbezogenen Fragmentierung“ des Gesundheitssystems ansetzen: „Wir können nicht mehr so weitermachen, dass jede einzelne Leistungserbringergruppe für sich individuelle Vergütungsverbesserungen erhält, ohne eine verbindliche Zusage für eine tatsächlich erlebbare Versorgungsverbesserung abgeben zu müssen“, so Reimann.
Dabei solle keine „Rationierungsdebatte“ angestoßen werden oder Leistungskürzungen propagiert werden. „Wir wollen nicht weniger Ärzte, nicht weniger Pfleger. Wir wollen nicht bei Versorgungsangeboten in ländlichen oder strukturschwachen Räumen sparen.“
Im Forderungspapier stehen daher vor allem die Forderung nach der „wirtschaftlichen Verwendung von GKV-Beitragsgeldern“, einem „Effizienzschub“. Dazu gehört eine „qualitätsorientierte Modernisierung der Krankenhauslandschaft", bei der unter anderem die onkologische Versorgung in spezialisierten Zentren stattfinden müsse.
Die Notfallreform müsse „schnellstmöglich nachgeholt werden“, auch die angestrebte Ambulantisierung müsse nun gelingen. Dazu gehört auch eine bessere ambulante Nachsorge von Patientinnen und Patienten mit Pflegebedarf.
Dabei setzen Reimann und der AOK-Verband auf die Weiterentwicklung des hausärztlichen Versorgungsauftrags zu einer „patientenorientierten, niedrigschwelligen, gesamtheitlichen und kontinuierlichen Primärversorgung“. Dazu zähle auch die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen, dies brauche auch gesetzliche Klarstellungen für alle Akteure.
Weiter heißt es in dem Forderungskatalog, dass es „weniger Staatsmedizin, mehr Freiraum“ für die gemeinsame Selbstverwaltung geben müsse. Damit sollen auch die Interessen der Beitragszahlenden geschützt werden. Die AOKen plädieren für mehr „Gestaltungsfreiräume für regionale Lösungen“, damit die Versorgung vor Ort besser angepasst werden könne. Daraus sollten regionale Gesundheitsstrukturen entstehen können.
Damit die gesundheitliche Versorgung weiter finanziert werden könne, müsse es auch einen Wechsel der Politik bei Einnahmen und Ausgaben des Systems der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung geben, forderte Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Nach den „kolossalen Beitragssprüngen“, die seit Anfang 2025 gelten, müsse in der Politik ein Umdenken einsetzen.
„Wir sind seit 2021 in einer Dynamik, die sich so nicht fortsetzen kann“, so Hoyer bei der Vorstellungen der AOK-Forderungen. Binnen zehn Jahren habe es einen Sprung von 60 Prozent in den Ausgaben aller Krankenkassen gegeben. Waren es 2015 noch 209 Milliarden Euro seien nun für 2025 geschätzte 341 Milliarden Euro. In der sozialen Pflegeversicherung war der Sprung noch deutlicher: Hier wurden 2015 noch 29 Milliarden Euro ausgegeben, 2025 geht man von 74 Milliarden aus.
Als ersten Reformschritt fordert der AOK Bundesverband, dass die Krankenkassen ihre Rücklagen nicht mehr für Finanzlücken im Gesundheitsfonds einbringen müssen. Diese Regelung wurde unter dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingeführt, auch der derzeitige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Rücklagen für die Finanzdefizite des Fonds genutzt.
„Dass den Krankenkassen über 10,5 Milliarden Euro Rücklagen zum Stopfen von Löchern im Gesundheitsfonds entzogen wurden, schlägt jetzt voll durch. Das war ordnungspolitisch und wirtschaftlich unklug", so Hoyer. Er fordert eine klarere Trennung zwischen den gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die der Staat finanziert und der originären Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Hier fordern die Krankenkassen und ihre Verbände seit Jahren, dass die versicherungsfremden Leistungen in Höhe von etwa zehn Milliarden Euro nicht mehr aus GKV-Geldern, sondern aus Steuergeld finanziert werden. Ähnliche Probleme gibt es auch in der Pflegeversicherung. Zudem fordert der AOK -Bundesverband einen niedrigeren Steuersatz auf Arzneimittel.
Ein weiteres Ärgernis ist aus Sicht der GKV auch die Finanzierung des geplanten Transformationsfonds im Rahmen des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes. Hier stehe zwar die notwendige Rechtsverordnung noch aus, aber man prüfe derzeit juristisch die Möglichkeit zur Klage gegen den Fonds, erklärte Reimann.
Zur Erinnerung: Die Hälfte des rund 50 Milliarden Euro starken Fonds sollen die Krankenkassen tragen, die andere Hälfte die Bundesländer. Aus dem Fonds soll in den kommenden zehn Jahren die Transformationskosten für die Krankenhauslandschaft finanziert werden.
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