Vermischtes

Ärztin übt Kritik: #allemalneschicht­machen statt #allesdicht­machen

  • Montag, 26. April 2021
/picture alliance, Bernd Wüstneck
/picture alliance, Bernd Wüstneck

Berlin/Essen – In der Debatte um die Internetaktion #allesdichtmachen wird die Kritik an den prominen­ten Teilnehmern immer lauter. Unter #allemalneschichtmachen kritisierten zahlreiche Nutzer im Netz die Aktion als zynisch und nicht konstruktiv. Die Notärztin und Bloggerin Carola Holzner – im Netz bekannt als „Doc Caro“ – rief die an der Aktion beteiligten Künstler dazu auf, mal für eine Schicht im Rettungs­dienst oder auf einer Intensivstation mitzuarbeiten.

„Ihr habt eine Grenze überschritten“, sagte Holzner, Leitende Oberärztin am Universitätsklinikum Essen, zur Aktion #allesdichtmachen am vergangenen Samstagabend in einem Instagram-Video. „Und zwar eine Schmerzgrenze all jener, die seit über einem Jahr alles tun.“

Unter dem Motto #allesdichtmachen hatten Dutzende Film- und Fernsehschauspieler, darunter Jan Josef Liefers, Heike Makatsch und Volker Bruch, mit ironisch-satirischen Clips die Coronaplitik der Bundes­re­gie­rung kommentiert. Nach heftiger Kritik und teils Zustimmung aus dem rechten Lager distanzierten sich einige Teilnehmer später von ihren Beiträgen.

So ruderte auch das Schauspielerpaar Martin Brambach und Christine Sommer zurück. „Es war vielleicht ein Fehler, solche Videos ohne jeglichen Kontext oder we­nigstens ein paar erklärende Worte zu ver­öffent­li­chen...“, erklärte das Paar – und distanzierte sich von „einer Vereinnahmung durch die AfD und anderen rechten Gruppen.“ Die gesellschaftliche Spaltung müsse gestoppt werden.

Die Videos waren am vergangenen Donnerstag veröffentlicht worden und thematisierten etwa die politi­sche Entscheidungsfindung oder die Kontaktbeschränkungen in der Pandemie. Kritik und Unverständnis folgten prompt. Rasch ließen einige der Künstler ihre Clips löschen und entschuldigten sich, andere er­klärten ihre Absichten.

Der Präsident der Deutschen Filmakademie, Schauspieler Ulrich Matthes, sagte, er habe sich sehr ge­wun­dert über die Unterstellung in den meisten der Videos, es gäbe keinen Diskurs darüber, ob die Maß­nahmen in der Pandemie berechtigt seien. „Und die Kolleginnen und Kollegen beklagen mittels dieser vermeintlichen Satire, dass dieser Diskurs nicht stattfände und geben damit – und das ist meine Haupt­kritik – indirekt Schützenhilfe für die Querdenkerszene und die AfD.“

Ähnlich äußerte sich der Daten- und Politikwissenschaftler Josef Holnburger. „Leider bedienen viele der Prominenten hämisch Narrative, welche Bestandteil vieler Verschwörungserzählungen sind“, sagte er. „Et­wa vermeintlich gleichgeschaltete Medien oder ein Kritikverbot an der Regierung. Es wundert mich deshalb nicht, dass der Applaus aus dieser Szene besonders laut ist.“

Am vergangenen Samstag wurde auf der Seite allesdichtmachen.de ein Statement veröffentlicht. „Die Gruppe hat keinen „Kopf“ und keine gemeinsame Stimme“, hieß es darin. „Das Projekt ist kollektiv ent­standen, die Gruppe ist divers, die Meinungen gehen auch hier auseinander.“

Einige der Teilnehmer hatten sich noch am vergangenen Freitag distanziert. Ulrike Folkerts etwa be­zeich­nete ihre Beteiligung als Fehler. „Ich habe einen Fehler gemacht, ich war naiv genug zu glauben, mit meinen Kollegen*innen ein gewinnbringendes Gespräch in Gang zu bringen. Das Gegenteil ist pas­siert“, schrieb die „Tatort“-Kommissarin auf Instagram.

Ihr „Tatort“-Kollege Liefers äußerte sich nachdenklich. „Ich finde auch den Punkt interessant, dass viel­leicht Ironie wirklich ein ungeeignetes Mittel ist“, sagte er in der Radio Bremen-Talkshow „3nach9“. Er sehe aber eine Lücke: „Es gibt nicht nur auf der Seite der Erkrankten Trauer und Leid, sondern auch auf der Seite derer, die unter diesen Maßnahmen inzwischen nun wirklich anfangen zu leiden, die sehe ich nicht so richtig vertreten.“

Im Statement auf der Seite hieß es: „Wir leugnen auch nicht Corona oder stellen in Abrede, dass von der Krankheit Gefahr ausgeht und Menschen daran sterben. Vielmehr geht es uns um die Coronapolitik, ihre Kommunikation und den öffentlichen Diskurs, der gerade geführt wird.“

Doch nach Ansicht des Daten- und Politikwissenschaftlers Holnburger trägt die Aktion nicht zu einer konstruktiven Debatte bei. „Die vor allem polemisch dargestellte Kritik seitens der #allesdichtmachen-Aktion wird den öffentlichen Diskurs nicht versachlichen, sondern verschärfen“, sagte er. „Verschwö­rungsideologische Narrative drohen durch solche Aktionen hoffähig gemacht zu werden.“

dpa

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