Bundesarbeitsgericht: Präsidentin verteidigt „Stechuhr-Urteil“

Erfurt – Die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts (BAG), Inken Gallner, hat das „Stechuhr-Urteil“ ihres Gerichts verteidigt und erläutert. „Es geht darum, Arbeitnehmer zu schützen – vor anderen und auch vor sich selbst“, sagte Gallner bei der Jahrespressekonferenz des BAG heute in Erfurt. Kritik sehe sie relativ gelassen. „Das habe ich erwartet.“ Nachtarbeitszuschläge und Diskriminierungsfragen seien Schwerpunkte der BAG-Rechtsprechung in diesem Jahr.
Der erste BAG-Senat hatte am 13. September vergangenen Jahres unter dem Vorsitz von Präsidentin Gallner entschieden, dass Arbeitgeber ein System zur Erfassung sämtlicher Arbeitsstunden einführen müssen. Das Gericht setzte damit ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019 um und legte das deutsche Arbeitsschutzgesetz entsprechend aus.
Damit sei das „Ob“ geklärt, betonte Gallner. Das „Wie“ der Arbeitszeiterfassung liege nun in der Hand des Gesetzgebers. Hier seien bereits im März zumindest erste Eckpunkte zu erwarten. Nach Angaben Gallners sind davon rund 41 Millionen Beschäftigte betroffen.
Dabei gehe es um die Einhaltung der Arbeitszeitobergrenze von 48 Wochenstunden sowie um elf Stunden Pause zwischen zwei Schichten und mindestens einmal wöchentlich 24 Stunden frei. Das möge teils altertümlich anmuten, sei für die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber wichtig. Insbesondere bei der elf-Stunden-Pausenregel sei dies auch durch Studien sehr gut belegt.
Vertrauensarbeitszeit sei weiter möglich, „aber natürlich in den rechtlich vorgegebenen Grenzen“, sagte sie weiter. Wenn Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit selbst aufschreiben, stelle sich allenfalls die Frage, „ob nicht zumindest stichprobenartig kontrolliert werden muss“.
Zum Streit um Nachtarbeitszuschläge sind nach Angaben der BAG-Präsidentin mehr als 400 Revisionen in Erfurt anhängig. In den Instanzen seien es über 6.000 Klagen.
Gestritten werde über eine unterschiedliche Höhe der Zuschläge bei regelmäßiger oder unregelmäßiger Nachtarbeit, meist in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Ein erstes Urteil zu Coca-Cola stehe bereits am 22. Februar an.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: