Arbeitszeit muss systematisch erfasst werden

Erfurt – Die Arbeitgeber in Deutschland sind grundsätzlich dazu verpflichtet, die geleistete Arbeitszeit von Arbeitnehmern systematisch zu erfassen. Das hat heute das Bundesarbeitsgericht in Erfurt entschieden (Az.: 1 ABR 22/21).
Wie eine Sprecherin dem Deutschen Ärzteblatt auf Nachfrage erläuterte, bedeutet „systematisch“ dabei nicht zwingend, dass die Arbeitszeit elektronisch erfasst werden müsse. Wichtig sei, dass die Arbeitszeiterfassung verlässlich und überprüfbar sei und die Festlegungen des Europäischen Gerichtshofs eingehalten würden.
Der Sprecherin zufolge ist es die erste Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die besagt, dass die Festlegungen des EuGH auch auf die bestehenden Regelungen des deutschen Rechts angewendet werden können.
Der EuGH hatte 2019 entschieden, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) Arbeitgeber in ihrem Land verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann (Az.: C-55/18).
Die konkrete Umsetzung sei Sache der Mitgliedstaaten, damit diese auf Besonderheiten von Unternehmen oder Tätigkeitsbereichen eingehen könnten, so das Gericht damals.
Für Christian Twardy, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Marburger Bundes, ist das Urteil „grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung“. Er sagte dem Deutschen Ärzteblatt, der Marburger Bund werde aber auch weiterhin die Arbeitszeiterfassung tarifvertraglich regeln.
„Das ermöglicht einen differenzierten Umfang mit der Arbeitszeit von Klinikärzten. Das Urteil wird dennoch zu mehr Transparenz und Ehrlichkeit im Umgang mit der ärztlichen Arbeitszeit führen“, erklärte Twardy.
Beate Müller-Gemmeke, Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales im Bundestag, sprach heute von einem „Meilenstein“. „Damit haben wir endlich rechtliche Klarheit, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2019 auch in Deutschland umgesetzt werden muss“, sagte sie.
Ihrer Meinung nach bestehe damit „kein Anlass, sich um die Vertrauensarbeitszeit oder das Homeoffice zu sorgen“. Denn es geht nicht darum, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten vorschreiben sollten, wann und wo sie arbeiten. „Es geht nur darum, dass Arbeitszeit dokumentiert wird.“
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