Chefarzt von Weizsäcker bei Vortrag in Berlin erstochen

Berlin – Ein Angreifer hat in Berlin den Chefarzt der Abteilung Innere Medizin I an der Schlosspark-Klinik in Berlin erstochen. Es handelt sich um Fritz von Weizsäcker, den Sohn des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Ein weiterer Mann wurde bei dem Angriff schwer verletzt.
Fritz von Weizsäcker sei gestern Abend während eines Vortrags in der Schlosspark-Klinik im Stadtteil Charlottenburg angegriffen worden, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei. Trotz sofortiger Wiederbelebungsmaßnahmen sei er noch vor Ort verstorben. Ein Tatverdächtiger wurde festgenommen.
Ein Polizist, der die Veranstaltung privat besucht hatte, habe den Angreifer aufhalten wollen und sei dabei schwer verletzt worden. Die Polizei bestätigte heute Morgen, dass der Tatverdächtige 57 Jahre alt ist und der Polizei bislang unbekannt war.
„Das Tatmittel war ein Messer“, sagte eine Polizeisprecherin. Der 57-Jährige soll noch heute einem Haftrichter vorgeführt werden. Der Vortrag war den Angaben zufolge öffentlich und konnte nach Anmeldung besucht werden. Die Polizei leitete Ermittlungen wegen Mordes ein.
Wie Ermittler heute am Abend mitteilten, soll der Täter es offenbar auf die Familie von Weizsäcker abgesehen haben. Der Mann soll „eine akute psychische Erkrankung“ haben und in eine Klinik kommen. Die Staatsanwaltschaft spracht von einer „wohl wahnbedingten allgemeinen Abneigung des Beschuldigten gegen die Familie des Getöteten“.
Der Angreifer soll die Tat geplant haben. Im Internet stieß der Mann auf den Vortrag, kaufte sich in Rheinland-Pfalz ein Messer und fuhr mit der Bahn nach Berlin, so der derzeitige Stand der Ermittlungen. Gegen Ende des Vortrags sei der Täter auf das Podium gegangen und habe den Redner attackiert.
Ärzte und Kollegen betroffen
Ärzte und Weggefährten von Weizsäckers zeigten sich heute entsetzt. „Eine solch grausames Gewaltverbrechen lässt uns alle mit der Frage nach dem ,Warum?' zurück“, erklärte der Präsident der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz. Man trauere um einen „engagierten Kollegen“, der seit Jahren in verschiedenen Gremien in der Ärztekammer aktiv gewesen sei.
„Wir haben mit großer Bestürzung den Angriff auf unseren Kollegen, Prof. Dr. Fritz von Weizsäcker, zur Kenntnis nehmen müssen“, sagte Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. „Unsere Gedanken sind bei beiden Opfern dieser abscheulichen Tat sowie bei ihren Angehörigen.“
Die Universitätsklinik Charité zeigte sich „zutiefst erschüttert“ und betonte, die Tat sei während eines Vortrags für Laienpublikum geschehen und damit in einem Kontext, wie er auch an der Charité alltäglich sei, teilte der Klinikvorstand mit.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihr Beileid bekundet. „Es ist ein entsetzlicher Schlag für die Familie von Weizsäcker, und die Anteilnahme der Bundeskanzlerin, sicher auch der Mitglieder der Bundesregierung insgesamt, gehen an die Witwe, an die ganze Familie“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert heute in Berlin.
Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) betonte, sie verurteile Gewalt gegen Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte „aufs Äußerste“. Dass Menschen, die anderen helfen und Leben retten, so etwas passiere, erschüttere sie besonders.
Bereits kurz nach der Tat hatte FDP-Chef Christian Lindner im Kurzbotschaftendienst Twitter seine Trauer über den Tod von Fritz von Weizsäcker mitgeteilt. „Mein Freund Fritz von Weizsäcker wurde heute Abend in Berlin erstochen. Ein passionierter Arzt und feiner Mensch. Neulich noch war er bei uns zuhause zum Grillen. Ich bin fassungslos und muss meine Trauer teilen. Einmal mehr fragt man sich, in welcher Welt wir leben.“
Die Berliner Schlosspark-Klinik hat nach eigenen Angaben ein Kondolenzbuch ausgelegt. „Alle Mitarbeiter haben die Möglichkeit, in einem geschützten Raum ihre Betroffenheit zum Ausdruck zu bringen“, teilte die Klinik mit.
Von Weizsäckers Kollegin, der Berliner Charité-Professorin Britta Siegmund, geht die Tat nahe. Es sei schon der zweite Kollege, den sie auf diese Weise verliere, sagte Siegmund. Eine Sicherheitsdebatte zu führen, hält sie derzeit aber nicht für sinnvoll. „Wir wissen jetzt zu wenig, was passiert ist.“ Erst einmal seien die Gedanken bei der Familie.
Im Sommer 2016 hatte ein 72 Jahre alter Patient an der Charité einen Mediziner erschossen und sich danach selbst getötet. Der 55 Jahre alte Kieferorthopäde hatte den Mann lange behandelt. Damals war das Motiv des Täters wohl Verzweiflung. Die Charité bekräftigte danach, dass Sicherheitskontrollen an Krankenhäusern unrealistisch seien – die Häuser müssten für Patienten, Angehörige, Mitarbeiter und Studenten offen sein.
Der 59-Jährige Weizsäcker war seit 2005 Chefarzt der Abteilung Innere Medizin I an der Schlosspark-Klinik. Von 1979 bis 1987 studierte er Humanmedizin in Bonn und Heidelberg. Es folgten Stationen in Freiburg, Boston und Zürich, wie es auf der Webseite der Schlosspark-Klinik heißt. Weizsäckers Vater, Richard von Weizsäcker, war von 1984 bis 1994 Bundespräsident und zuvor unter anderem Bundestagsabgeordneter für die CDU sowie Regierender Bürgermeister von Berlin.
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