Ethikexperten gegen gesetzliche Regelung zur Suizidbeihilfe

Frankfurt am Main – In der Debatte um die Beihilfe zur Selbsttötung lehnen prominente Ethikexperten eine gesetzliche Regelung weiterhin ab.
„Keiner der drei dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfe helfe Menschen, die einen Suizid erwägen, in ihrer existenziell schwierigen Lage“, schreiben der frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrates und evangelische Theologe Peter Dabrock, die Palliativmedizinerin Claudia Bausewein, der Staatsrechtler Wolfram Höfling und der evangelische Theologe Reiner Anselm in einem Gastbeitrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung heute.
Stattdessen fordern sie eine verbesserte Suizidvorbeugung und den Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung. Auch müssten familialer Netzwerke und alternative Wohnkonzepte gefördert werden, um Einsamkeit zu bekämpfen. Über gezielte Fortbildungsangebote könnten die Sensibilität für depressive Störungen im Alter und der Umgang mit Sterbewünschen gestärkt werden.
Aus Sicht der Ethikexperten birgt das in den drei Gesetzentwürfen vorgesehene mehrstufige Beratungsverfahren die Gefahr, ins Gegenteil umzuschlagen: Es könnte zu einer Normalisierung der Suizidbeihilfe durch Bürokratisierung kommen. Der Aufbau eines Beratungssystems würde zudem viel Geld kosten und viel Personal binden. Beides sollte lieber in Suizidvorbeugung und die Palliativ- und Hospizversorgung investiert werden.
Für eine bundesgesetzliche Regelung bestehe kein Bedarf, schreiben die Ethikexperten. Suizidwillige hätten mittlerweile ausreichend Möglichkeiten, um ihren Sterbewunsch mit Hilfe Dritter durchzusetzen. Auch sei es trotz der sehr liberalen Regelung in den vergangenen drei Jahren nicht zu unverantwortlichen Praktiken im Zusammenhang mit der Suizidassistenz gekommen. Schon jetzt mache sich ein Sterbehelfer strafbar, wenn er bei einer Selbsttötung helfe, die erkennbar nicht freiverantwortlich sei.
Die Autoren setzen stattdessen auf ethische Standards, die Ärzte und Pflegekammern sowie Wohlfahrts-, Hospiz- und Palliativverbände entwickeln. „Insgesamt soll überall ein Geist prägend sein, der wachhält, dass Suizid keine Normaloption des Sterbens werden darf“, heißt es. Zugleich müsse deutlich werden, dass niemand bei einem stabilen Suizidanliegen allein gelassen werde. „Jeder und jede muss seelsorgliche und fürsorgliche Begleitung bis zum Schluss erfahren.“
Das Bundesverfassungsgericht hatte Anfang 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt. Zugleich formulierten die Karlsruher Richter ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben – und zwar unabhängig von Alter oder Krankheit. Dazu könne auch die Hilfe Dritter in Anspruch genommen werden.
Derzeit liegen im Bundestag drei Gesetzentwürfe vor, die einen Missbrauch von Suizidbeihilfe verhindern und garantieren sollen, dass Suizidwillige eine selbstbestimmte und freie Entscheidung treffen.
Aus Sicht der Ethikexperten schwächen alle drei Gesetzentwürfe die Position derer, die Situation, Umfeld und Krankheitsverlauf der Patienten am besten einschätzen können: nämlich die von Ärztinnen und Ärzten, die eine persönliche Beziehung zu ihren Patienten aufgebaut haben.
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