Fast jede zweite OP bei Kindern und Jugendlichen coronabedingt ausgefallen
Hamburg – Die Coronapandemie hatte in diesem Frühjahr auch massive Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen. Das zeigt eine Analyse von Versichertendaten der DAK-Gesundheit, die die Universität Bielefeld erstellt hat.
Die Wissenschaftler werteten anonymisierte Krankenhausdaten von mehr als 750.000 Kindern und Jugendlichen im Alter von null bis 17 Jahren aus. Danach entfiel im Coronalockdown März und April 2020 fast jede zweite Operation bei jungen Patienten (45 Prozent).
Gleichzeitig ging die Zahl der Krankenhausfälle um 41 Prozent zurück. Dieser Effekt betraf alle Altersgruppen. Auch bei anderen Indikationen sank die Behandlungszahl deutlich, zum Beispiel bei Asthma (minus 47 Prozent) und bestimmten psychischen oder sozialen Störungen (minus 35 Prozent).
„Im Frühjahrslockdown wurden in den Krankenhäusern viele nicht dringende stationäre und ambulante Behandlungen drastisch oder vollständig eingestellt. Aus Angst vor Ansteckung wurden aber auch viele notwendige Untersuchungen nicht oder sehr spät durch die Eltern und Sorgeberechtigten veranlasst“, sagte Eckard Hamelmann, Direktor des Universitätsklinikums für Kinder- und Jugendmedizin der Universität Bielefeld.
„Dies hatte zur Folge, dass wir vermehrt schwere und komplizierte Verläufe bei chronischen Erkrankungen, wie Diabetes melllitus, oder auch bösartigen Neuerkrankungen erleben mussten“, berichtete er von seinen Erfahrungen.
Einen Rückgang der Behandlungszahlen gab es laut der Auswertung auch bei Infektionen und bei Unfällen: So wurden 64 Prozent weniger Fälle mit virusbedingten Darminfektionen behandelt. Bei Mittelohr- und Kehlkopfentzündungen betrug der Rückgang jeweils 44 Prozent.
„Die dramatischen Behandlungsrückgänge bei ernsten Erkrankungen wie Asthma und psychischen Erkrankungen sind beunruhigend“, sagte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. „Wir müssen verstärkt untersuchen, welche Auswirkungen die Pandemie und die erheblichen Einschränkungen auf die Gesundheit unserer Kinder und Jugendlichen haben“, forderte er.
Ein deutliches Warnsignal sieht der DAK-Vorstandsvorsitzende Andreas Storm. „In der aktuellen Coronadiskussion spielt die Kinder- und Jugendgesundheit eine zu geringe Rolle. Das müssen wir ändern, um langfristige Folgeschäden zu vermeiden“, sagte er.
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