Frauen holen im Job auf – werden aber weiter ausgebremst

Düsseldorf – Frauen haben in den vergangenen Jahren beruflich zu Männern aufschließen können – trotzdem ist die durchschnittliche soziale Situation von Frauen oft noch schlechter. Das geht aus dem aktuellen Bericht zum Stand der Gleichstellung hervor, den das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung heute veröffentlichte.
Demnach gibt es bei der Gleichstellung gleichermaßen „Defizite wie auch Fortschritte“. So haben Frauen bei schulischer und beruflicher Qualifikation inzwischen weitgehend mit den Männern gleichgezogen; bei der schulischen Bildung liegen Frauen inzwischen sogar leicht in Führung.
Die Erwerbsbeteiligung von Frauen liegt aktuell nur noch um knapp acht Prozentpunkte niedriger als die von Männern. Damit hat sich der Geschlechterabstand in drei Jahrzehnten stark verringert. 1991 hatte die Differenz bei der Erwerbsbeteiligung noch bei 21 Prozent gelegen.
Zugleich gibt es vor allem wegen des „Gender Care Gaps" weiter teils erhebliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Diese unbezahlte Sorgearbeit, etwa wenn Kinder betreut, Familienangehörige gepflegt oder der Haushalt geregelt wird, macht dem WSI-Bericht zufolge bei Frauen 45 Prozent an der Gesamtarbeitszeit aus. Bei Männern seien es hingegen nur 28 Prozent, „auch wenn Männer zum Beispiel bei der Pflege langsam mehr Aufgaben übernehmen“.
Um Familie und Job unter einen Hut zu bringen, arbeiten Frauen gut viermal so häufig Teilzeit wie Männer – 2018 waren es 46 Prozent gegenüber gut elf Prozent bei den Männern. Dieses Ungleichgewicht trage unter anderem wegen geringerer Karrieremöglichkeiten „wesentlich“ dazu bei, dass der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen knapp 21 Prozent unter dem von Männern liege, erklärten die Forscher.
Eine weitere Ursache dafür seien zudem „sehr stabile geschlechtsspezifische Präferenzen bei der Berufswahl“, verbunden damit, dass „typisch weibliche“ Berufe, etwa im Pflege- und Gesundheitsbereich, meist schlechter bezahlt werden als von Männern dominierte technische Berufe. 25 Prozent der weiblichen Beschäftigten mit Vollzeitstelle verdienen demnach weniger als 2.000 Euro brutto im Monat, bei den Männern sind es 14 Prozent.
Eine „gravierende“ Lücke konstatiert der WSI-Bericht weiterhin bei der Absicherung im Alter. Bei gemeinsamer Betrachtung sowohl der gesetzlichen Rente als auch betrieblicher und privater Alterssicherung beziehen Frauen demnach im Schnitt ein um 53 Prozent niedrigeres Alterseinkommen als Männer. Anfang der 1990er-Jahre hatte diese Kluft allerdings noch 69 Prozent betragen.
„Diese Entwicklung zeigt beispielhaft: Der Rückstand der Frauen wird in wichtigen Bereichen kleiner“, erklärte WSI-Forscherin Karin Schulze Buschoff. Aber Fortschritte bei der Gleichstellung vollziehe sich „meist sehr langsam“, fügte sie hinzu.
Um die Gleichstellung weiter zu fördern, sprechen sich die Studienautoren unter anderem für größere Anreize für Männer aus, in stärkerem Maße als bislang Sorgearbeit zu übernehmen – etwa durch eine Erweiterung der Partnermonate im Elterngeld auf sechs Monate.
Außerdem schlugen sie vor, dass Heranwachsende mehr Möglichkeiten bekommen sollten, geschlechteruntypische Berufsfelder kennenzulernen und dass frauendomninierte Berufe im Sozial-, Erziehungs- und Gesundheitsbereich finanziell aufgewertet und die Möglichkeiten zur Kinderbetreuung weiter verbessert werden sollten.
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