Gewalttätige Querdenker verurteilt, erneut Demonstrationen

Schweinfurt – Nur einen Tag nach gewalttätigen Coronaprotesten in Schweinfurt sind vier Angeklagte verurteilt worden. In beschleunigten Verfahren verhängte das Amtsgericht Schweinfurt gestern Geld- und Bewährungsstrafen von bis zu einem Jahr gegen drei Männer und eine Frau. Sie wurden wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und zum Teil auch wegen tätlichen Angriffs, Körperverletzung und Beleidigung verurteilt.
Bei der Demonstration am vergangenen Sonntagabend waren acht Polizisten und mehrere Teilnehmer der Kundgebung verletzt worden – darunter ein vierjähriges Mädchen. Der unterfränkische Bezirksvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Thorsten Grimm, sagte: „Ein Kind als „Schutzschild“ zu missbrauchen, ist ein Akt der Unmenschlichkeit.“
Laut Polizeipräsidium Unterfranken war das Kind in eine Pfefferspraywolke geraten, als seine Mutter eine Polizeiabsperrung durchbrechen wollte. Es habe eine Augenreizung erlitten, sei von medizinischem Personal der Polizei versorgt worden und nach einer Augenspülung wenige Minuten später wieder beschwerdefrei gewesen. Gegen die Mutter, die aus den Reihen der sogenannten Querdenker komme, sei Anzeige erstattet worden. „Außerdem wird das Jugendamt von der Polizei über den Vorfall informiert“, teilte die Polizei mit.
„Es gibt das Phänomen häufiger, dass Eltern mit ihren Kindern, oft auch im Kinderwagen, zu Impfgegner-Demos gehen, um ihre Kinder als Schutzschilder gegen polizeiliche Maßnahmen einzusetzen“, sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, der Rheinischen Post. „Die Radikalisierung nimmt zu, die Leute sind immer frustrierter, je länger das Corona-Thema schwelt.“ Grimm forderte, die sogenannten Spaziergänge von Gegnern der Coronamaßnahmen zu verbieten, denn die Entwicklung sei brandgefährlich.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht angesichts der zunehmenden Radikalisierung bei Protesten von Coronaleugnern und Impfgegnern die Gefahr von extremistischen Straftaten. „Man muss das ernst nehmen, das ist eine Gefahr für unsere Demokratie. Und das hängt nicht nur davon ab, wie viele tausend Menschen unterwegs sind“, sagte er. Es bestehe immer die Gefahr, dass ein Einzelner, angestachelt von Hass und Hetze anderer, ohne Auftrag zur Tat schreite. „Das Phänomen der spontanen Selbstradikalisierung kennen wir genauso aus dem Islamismus.“
Auch wenn die Zahl der radikalen Demonstranten nach wie vor überschaubar sei, gebe es „unübersehbar eine Mobilisierung im Bereich der extremen Rechten“, betonte Herrmann. Das gehe los bei den Querdenkern, die nichts vom Staat hielten und die sogar staatliche Institutionen außer Kraft setzen wollten. „Ich sehe hier einen fließenden Übergang in den Bereich der AfD, der NPD und zum sogenannten Dritten Weg. Denen ist gemein, dass sie alle versuchen, bei den Impfgegnern Leute aufzusammeln und ideologisch zu manipulieren. Das ist ein echtes Problem.“
Herrmann zeigte sich erleichtert, dass die Justiz „die schlimmsten Täter unmittelbar zur Verantwortung gezogen hat“. Er hoffe, dass das als klare Boschaft ankomme bei Leuten, die sich Ähnliches überlegten, sagte er dem Radiosender Antenne Bayern.
Die Polizei appellierte an die Teilnehmer von Kundgebungen, sich von Krawallmachern und Straftätern zu distanzieren: „Lassen Sie sich nicht von Rechtsextremisten, Reichsbürgern oder Antisemiten vereinnahmen und behindern Sie keine Maßnahmen der Polizei“, forderte sie.
In zahlreichen deutschen Städten sind unterdessen auch gestern wieder Tausende Menschen gegen Coronaschutzmaßnahmen auf die Straße gegangen. In Schwerin versammelten sich trotz Kälte und glatten Wegen nach Polizeiangaben etwa 2.700 Menschen, um ihren Unmut gegen die andauernden Einschränkungen und Pläne der Bundesregierung für eine Impfpflicht deutlich zu machen. Auch in Rostock versammelten sich mehrere Tausend Demonstranten.
In Magdeburg zogen nach ersten Angaben der Polizei rund 3.000 Menschen vom Domplatz aus durch die Stadt. In Halle sprach ein Polizeisprecher von rund 1.500 Demonstranten. Auch in weiteren Städten von Sachsen-Anhalt waren Proteste gegen Coronamaßnahmen angekündigt.
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