Mehr als hundert Forscherteams in aller Welt arbeiten an Impfstoff gegen COVID-19

Genf – Ein wirksamer und sicherer Impfstoff gegen COVID-19 gilt als die entscheidende Waffe im Kampf gegen die Coronapandemie. Mit Hilfe einer internationalen Online-Geberkonferenz will die EU-Kommission nun Milliarden von Euro an Spenden für die Entwicklung eines Impfstoffs einsammeln – der zudem für alle Menschen zugänglich sein soll.
Die London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM) listet weltweit fast 120 Projekte auf, die an einem Impfstoff forschen. Einige wenige der möglichen Impfstoffe werden bereits in klinischen Studien der Phase I am Menschen getestet. Das bedeutet, dass eine kleine Anzahl gesunder Freiwilliger geimpft wird, um in erster Linie die Sicherheit und Verträglichkeit und nur in geringerem Ausmaß die Wirksamkeit zu prüfen.
Am weitesten fortgeschritten ist die Forschung beim in Hongkong börsennotierten Unternehmen CanSino, dessen Impfstoff bereits in der klinischen Studienphase II erprobt wird. Das heißt, es wird erstmals an einer größeren Versuchsgruppe ausprobiert, ob die Impfung wirkt. Vor einer eventuellen Marktzulassung müssen noch groß angelegte Studien der Phase III erfolgreich sein.
In Deutschland beginnt gerade die erste Testphase mit dem Impfstoffkandidaten des Mainzer Biotechnologieunternehmens BioNTech an 200 Probanden. Bis spätestens Anfang Juli werden erste Erkenntnisse zur Verträglichkeit erwartet. BioNTech arbeitet mit dem US-Pharmakonzern Pfizer zusammen und hofft, seinen Coronaimpfstoff auch in den USA testen zu können.
Auch drei chinesische Projekte befinden sich laut LSHTM in Phase I der klinischen Tests: das des Pharmariesens Sinovac sowie zwei des medizinischen Instituts in Shenzhen. Nach Informationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden auch der Impfstoff vom Institut für biologische Produkte in Peking und der des Virologischen Instituts in Wuhan bereits erprobt.
In Großbritannien hat das Impfstoffprojekt der Universität Oxford die erste Testphase erreicht. Im gleichen Stadium befinden sich zwei Entwicklungen aus den USA: Der Impfstoffkandidat des Biotechnologieunternehmens Inovio Pharmaceuticals sowie jener, den das Unternehmen Moderna zusammen mit der Gesundheitsbehörde NIH entwickelt hat.
Um mit Impfungen die Pandemie zum Stillstand zu bringen und damit auch dauerhaft auf Sicherheitsvorkehrungen wie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen verzichten zu können, muss der Impfstoff in riesigen Mengen produziert und massenhaft verabreicht werden. Die WHO und große Pharmalabore gehen davon aus, dass es allein bis zur Marktreife eines Impfstoffs zwölf bis 18 Monate dauern wird.
Manche Wissenschaftler sind optimistischer. Die britische Impfstoffexpertin Sarah Gilbert von der Universität Oxford und ihr Kollege Frédéric Tangy vom französischen Institut Pasteur beispielsweise halten es für möglich, dass bereits Ende dieses Jahres ein Impfstoff einsatzbereit sein könnte.
140 Wirkstoffe
Die Pharmaindustrie hatte zuletzt mitgeteilt, dass derzeit im Rennen um brauchbare Therapie gegen die Folgen einer Infektion mit SARS-CoV-2 weltweit mehr als 140 Wirkstoffe untersucht werden. 77 davon seien Medikamente, die für andere Krankheiten entwickelt wurden, 68 seien neue Entwicklungen, sagte Thomas Cueni, Generaldirektor des Dachverbandes der Pharmaindustrie (IFPMA) kürzlich in Genf.
Er betonte, es liefen 25 klinische Studien, um die Sicherheit und Wirksamkeit möglicher Medikamente bei Patienten zu testen, die mit dem neuen Virus infiziert seien und die Lungenkrankheit COVID-19 entwickelt hätten.
Bereits existierende Medikamente, die auf ihre Wirksamkeit bei COVID-19 geprüft werden, sind etwa der Wirkstoff Chloroquin zur Behandlung von Malaria und das noch nirgendwo zugelassene Medikament Remdesivir, das für Patienten mit Ebola entwickelt worden war.
Die Studien würden so schnell wie möglich durchgeführt, ohne Sorgfalt oder Sicherheit zu vernachlässigen, versicherten die Pharmafirmen. Vertreter von Pfizer, Takeda, Astra-Zeneca, Sandoz, MSD, CSL Behring und Merck betonten, dass Konkurrenten angesichts der Krise zusammenarbeiteten und Informationen austauschten. Die Medikamente sollten zudem so wenig kosten, dass Patienten in allen Ländern der Welt damit behandelt werden können.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: