Vermischtes

Was sich 2026 bei der Organspende ändert

  • Freitag, 14. November 2025
/gpointstudio, stock.adobe.com
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Würzburg/Berlin – Ab der zweiten Januarhälfte 2026 wird in Deutschland die hypotherme Maschinenperfusion von Nieren (HMP) flächendeckend Einzug in die Abläufe der Organspende halten. Sie soll nicht nur die Qualität von Spenderorganen verbessern, sondern durch erweiterte Spenderkriterien auch die Zahl der tatsächlich transplantierbaren Nieren erhöhen.

Mit Hochdruck bereitet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) derzeit den offiziellen Start am 19. Januar vor. Es handele sich um das wohl größte Projekt in der Geschichte der DSO, sagte Thomas Biet, Kaufmännischer Vorstand der DSO, beim Jahreskongress der DSO in Würzburg. „Mit der Maschinenperfusion für Nieren von Spendern mit erweiterten Spenderkriterien wird ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Organqualität und der Transplantationsergebnisse getan“, betonte er. Die schonendere Konservierung könne dazu beitragen, dass mehr Organe in einem besseren Zustand transplantiert werden und erfolgreich funktionieren.

Neu ist die HMP nicht: Angesichts des anhaltenden Mangels an Spenderorganen und der hohen Morbidität und Mortalität auf Wartelisten gilt sie seit Jahren als vielversprechender Ansatz. Dabei wird das Organ außerhalb des Körpers durchströmt, mit Nährstoffen versorgt und funktionsfähig gehalten. Hierzulande sollen auf diese Weise künftig sogenannte marginale Organe – also Nieren von Spendern mit erweiterten Spenderkriterien – häufiger genutzt werden können.

Man gehe davon aus, dass ab dem nächsten Jahr schätzungsweise 500 Spendernieren jährlich auf die neuen Maschinen „gespannt“ werden, sagte heute in Würzburg Serge Vogelaar, Senior Medical Advisor von Organ Recovery Systems, Belgien. Dies ist die Firma, die durch Ausschreibung den Zuschlag erhielt und die neuen Geräte, die „Live Kidney Transporter“ – intern wegen ihrer abgerundeten Form auch „Snoopy“ genannt –  liefert.

Von ihr werden derzeit auch die Beteiligten der 37 Nierenprogramme in Deutschland geschult. Alle DSO-Koordinatorinnen und -Koordinatoren sowie die Chirurginnen und Chirurgen in den Entnahme- und den Transplantationskrankenhäusern erhalten jeweils zwei praktisch orientierte Schulungen an den neuen Geräten. „Etwa 90 Schulungen sind insgesamt nötig, 60 davon sind bereits erfolgt“, so Vogelaar beim DSO-Jahreskongress.

Die Einführung der neuen Technologie erfordere erhebliche organisatorische Anstrengungen, betonte Biet. Nahezu alle Mitarbeitenden der DSO seien derzeit in das Projekt involviert. „Zunächst werden 30 Perfusionsgeräte an acht Standorten zum Einsatz kommen – mit Option auf Ausbau“, so Biet. Die neuen Perfusionsgeräte veränderten auch die Logistik: Der Transportumfang des Equipments steige um 30 bis 50 Prozent, teilweise müssten neue Fahrzeuge angeschafft werden, um alle Gerätschaften und das Verbrauchsmaterial zu transportieren.

Bis heute gilt in der Transplantationsmedizin die statische Kühlung auf Eis als Goldstandard zur Überbrückung der Zeit zwischen Organentnahme und Transplantation. Doch die Kälte konserviert zwar, führt aber auch zu Schäden: Ischämiezeiten von mehreren Stunden beeinträchtigen Zellen, Ionenkanäle und Mitochondrien – mit teils gravierenden Folgen für das Transplantat.

Die Maschinenperfusion setzt genau hier an: Durch die Perfusion können Organe kontinuierlich mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. Studien zeigen, dass Nieren, die auf diese Weise konserviert werden, deutlich seltener unter einer verzögerten Transplantatfunktion leiden und bessere Ein- und Drei-Jahres-Überlebensraten aufweisen. Ein weiterer Vorteil: Perfusionsgeräte ermöglichen es, die Organqualität bereits vor der Transplantation zuverlässig zu beurteilen – auch ein entscheidender Schritt, um den Pool nutzbarer Organe zu erweitern und Risiken für Empfängerinnen und Empfänger zu reduzieren.

Neue Richtlinie und wissenschaftliche Grundlagen

Die Bundesärztekammer (BÄK) hat für die Anwendung der Maschinenperfusion im Frühjahr dieses Jahres eine neue Richtlinie verabschiedet und im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht, die am 19. Januar 2026 in Kraft tritt. Ihr zufolge ist dann grundsätzlich für den Organtransport von Nieren von Spendern mit erweiterten Spenderkriterien ein hypothermes maschinengestütztes Organkonservierungsverfahren anzuwenden.

Als Ausnahmen, die ein Abweichen von einem hypothermen maschinengestützten Organkonservierungsverfahren begründen, gelten insbesondere logistische Gründe, wie etwa eine mangelnde apparative Verfügbarkeit, eine Allokation in das lokale Transplantationszentrum oder eine Allokation in das Ausland.

Erweiterte Spenderkriterien der Richtlinie zufolge ein Spenderalter über 60 Jahre oder ein Spenderalter von 50 bis 59 Jahren bei einem zusätzlichen Vorliegen von mindestens zwei der folgenden Kriterien: zerebrovaskuläre Todesursache, arterieller Hypertonus, Serum- Kreatinin ≥ 1,5 mg/dl (bzw. ≥ 132 µmol/l).

Die aktualisierte Richtlinie der Bundesärztekammer definiert damit den rechtlichen Rahmen für die bundesweite Implementierung der Maschinenperfusion ab 2026. Gleichzeitig betont sie, dass der Einsatz in Deutschland weiterhin wissenschaftlich begleitet werden soll, um die nationale Datenlage zu stärken. 

ER

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