Sachliche Debatte um Widerspruchsregelung

Berlin – Die Einführung einer Widerspruchslösung bei der Organspende, bei der jeder Mensch in Deutschland automatisch als Organspender gelten soll, sofern er dem nicht widersprochen hat, ist gesellschaftlich umstritten. Das zeigte sich heute auch bei einer Diskussion des Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, mit der Herzchirurgin und Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Claudia Schmidtke (CDU), die auf Einladung der Schwenninger Krankenkasse in Berlin stattfand.
Während Dabrock die Einführung einer Widerspruchslösung nicht für notwendig, sondern sogar für „schädlich für das ehrenwerte Anliegen der Organspende“ hält und zunächst den Erfolg der jüngsten Reform des Transplantationsgesetzes abwarten möchte, plädierte Schmidtke dafür, die derzeit geltende Entscheidungslösung durch eine Widerspruchslösung zu ersetzen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf werde „in Kürze“ durch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingebracht, sagte sie, jedoch ohne einen konkreten Termin zu nennen.
Zwar sei die jüngste Reform des Transplantationsgesetzes notwendig gewesen, erklärte Schmidtke. Da es viele Maßnahmen aber prinzipiell schon früher gegeben hätte, würden die Verbesserungen nicht viel an der Gesamtsituation des Mangels an Spenderorganen ändern. Die Einführung der Widerspruchslösung forciere hingegen einen Kulturwandel. „Es muss normal sein, dass man Organspender ist“, betonte sie. Für eine nachhaltige Steigerung der Organspenden sei deshalb eine Kombination aus einer verbesserten Organisation und der Widerspruchslösung notwendig.
Dabrock dagegen hält die Abkopplung der jüngsten Änderung des Transplantationsgesetzes von der Debatte um die Widerspruchslösung für sinnvoll. „Der Erfolg sollte abgewartet werden“, sagte er. Für eine Verbesserung der Organspendesituation seien in anderen Ländern auch die Strukturveränderungen der entscheidende Faktor gewesen.
„Wir müssen zudem wahrnehmen, dass die Transplantationsmedizin in Deutschland ein Vertrauensdefizit hat“, sagte er. „Indirekte Zwangsmaßnahmen“ wie die Einführung einer Widerspruchslösung könnten das Vertrauen der Bevölkerung in die Transplantationsmedizin nicht stärken, sondern seien als Signal „denkbar falsch“, meinte der Ethikrats-Vorsitzende. Wer dieses existenzielle Thema mit anderen Themen gleichsetze, erweise der Organspende – für die er auch werbe – einen Bärendienst.
Statt für eine „Organabgabepflicht mit Widerspruchsvorbehalt“ sprach sich Dabrock für eine „verschärfte Entscheidungslösung“ aus, wie sie eine Gruppe um den CSU-Politiker Stephan Pilsinger und die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock vorschlägt. Dabei soll jeder Erwachsene zum Thema Organspende befragt und seine Entscheidung n einem Zentralregister erfasst werden.
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