Politik

Sachverständige: Mehr Geld und Anstrengungen für Wissenschafts­kommunikation

  • Mittwoch, 24. April 2024
/Sergey Nivens, stock.adobe.com
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Berlin – Im Bundestagsausschuss für Bildung und Forschung haben mehrere Sachverständige eine bessere Finanzierung von Wissenschaftskommunikation und mehr Anstrengungen gefordert.

Wissenschaftskommunikation sei ein probates Mittel gegen Polarisierung und Ausgrenzung und daher bei einer stetig wachsenden Zahl von Hochschulen Teil des Selbstverständnisses, sagte Tanja Brühl, Präsidentin der Technischen Universität Darmstadt, heute in einer Anhörung zum Thema „Wissenschaftskommunikation systematisch und umfassend stärken“.

Die Leistung von Hochschulen im Rahmen ihrer sogenannten dritten Mission seien anzuerkennen und nach­haltig zu finanzieren, erklärte Brühl. Man trete gern in den Austausch mit Partnern aus anderen Bereichen, bisher aber vor allem punktuell, mangels Mitteln.

„Die Ausweitung des Leistungsspektrums von Hochschulen sollte daher einhergehen mit einer Erhöhung der zur Verfügung stehenden Mittel“, sagte Brühl. Es brauche eine andere Form von Finanzierung jenseits von Projekten.

Rückendeckung für Wissenschaftskommunikatoren

Wissenschaftskommunikatoren müssten bestmöglich unterstützt und geschützt werden, etwa vor Anfeindun­gen, appellierte Brühl außerdem.

Die bundesweite Anlaufstelle Scicomm-Support für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die etwa Be­drohungen und Konflikten ausgesetzt seien, verzeichne seit ihrem Start im Sommer 2023 zahlreiche Anfragen, wie Julia Wandt von Scicomm-Support und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sagte. Sie berichtete von bis zu drei Anrufen pro Tag.

Ein Wissenschaftler, den die Stelle begleite, sei seit acht Jahren ein- und derselben Bedrohungssituation aus­gesetzt, samt körperlicher Angriffe. Die Anlaufstelle sei bis 30. April 2025 befristet und werde bisher mit einem niedrigen sechsstelligen Betrag aus dem Bundesverband Hochschulkommunikation, der Initiative Wissenschaft im Dialog (WiD) und kleineren Beträgen von Stiftungen abgesichert, sagte Wandt.

Da das Problem der Anfeindungen in der Wissenschaft nicht verschwinden werde, brauche es eine verlässli­che Perspektive. Eine erste repräsentative Studie zu dem Thema, an der die Anlaufstelle beteiligt ist, solle am 16. Mai präsentiert werden.

Forderung nach einer Stiftung für Wissenschaftsjournalismus

Nicola Kuhrt von der Wissenschaftspressekonferenz sagte, die Krise des Wissenschaftsjournalismus sei noch stärker als die Krise des Journalismus insgesamt, etwa wegen Einsparungen in Redaktionen. Es gebe zwar viele Projekte und Ideen. „Was fehlt – haben wir schon gehört – ist das Geld.“

Die Wissenschaftspressekonferenz appellierte, eine gemeinnützige und unabhängige Verbrauchsstiftung mit einem Kapitalstock von zehn Millionen Euro zur Förderung und Stärkung des Wissenschaftsjournalismus ein­zurichten.

Es sei wichtig, eine Institution in Deutschland zu haben, die insgesamt Wissenschaftskommunikatorinnen und -kommunikatoren dazu bringen könnte, stärker zusammenzuarbeiten und zu -wirken, sagte Harald Lesch von der Physik-Fakultät der LMU München.

Die Mittel dafür könnten nicht hoch genug sein. Er verwies auch auf die Coronapandemie: Diese habe gezeigt, dass die Erwartungen der Bevölkerung im Widerspruch standen zu Methoden und Diskussionen der Wissen­schaft, insbesondere die Bedeutung von Irrtum und Zweifel.

Veränderung des Systems gefordert - hin zu mehr Dialog

Der Direktor des Museums für Naturkunde Berlin, Johannes Vogel, kritisierte, dass die Wissenschaft die Zei­chen der Zeit nicht erkannt habe. Die Anstrengungen, damit Menschen der Wissenschaft ihr Vertrauen schen­ken, reichten nicht aus.

Vogel forderte, die Wissenschaft solle einen Tag pro Woche abgeben für einen Dialog mit der Gesellschaft. Schließlich werde sie auch aus Steuergeldern finanziert. „Wir müssen aufhören – preiswert — unsere Ergeb­nisse in Pressemitteilungen, die sowieso keiner liest, herauszugeben und diese Heureka-Momente zu feiern“, sagte Vogel.

Es gelte vielmehr, reinzugehen in die Gesellschaft und zuhören zu lernen, was Zeit und Energie koste. Man müsse in Deutschland weg von Wissenschaftskommunikation und hin zu einem „public engagement“.

Weitere Sachverständige betonten, auch die Medienkompetenz müsse gestärkt werden, etwa um Falschinfor­ma­tionen zu entlarven. Nötig sei dies nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Erwachsenen, wie Jacob Beau­temps vom Youtube-Kanal Breaking Lab sagte.

Er bekomme immer wieder Fragen zu im Internet kursierenden Videos mit Fakenews. Für Tandems aus Wissenschaftlern und Influencern sprach sich Moritz Vieth vom YouTube-Kanal Senkrechtstarter aus.

ggr

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