Medizin

SARS-CoV-2: Wechsel des Arms bei der Impfung könnte Wirksamkeit steigern

  • Donnerstag, 8. Februar 2024
/picture alliance, dpa, Ole Spata
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Portland – Der Wechsel des Arms für die Boosterinjektion eines mRNA-Impfstoffs gegen COVID-19 war in einer Beobachtungsstudie im Journal of Clinical Investigation (2024; DOI: 10.1172/JCI176411) mit einer stärkeren Immunreaktion verbunden als die erneute Impfung auf derselben Seite. Die Unterschiede in der Antikörperreaktion nahmen mit zunehmender Dauer weiter zu, und der Wechsel scheint das Immunsystem besser auf die Omikron-Varianten vorbereitet zu haben.

Die meisten Impfungen erfordern heute mehrere Dosierungen, wobei die zweite Dosis als Booster bezeichnet wird, weil sie eine bereits einsetzende Antwort des Immunsystems verstärkt. Dabei könnte es vorteilhaft sein, die Impfung am gleichen Arm zu wiederholen, weil die Antigene vermutlich im selben Lymphknoten verarbei­tet werden. Dort könnten die B-Zell-Klone, die bereits mit der Bildung von Antikörpern begonnen haben, zu einer gesteigerten Produktion animiert werden. Die Immunreaktion könnte dadurch insgesamt verbessert werden.

Eine kontralaterale Impfung könnte ebenfalls vorteilhaft sein, weil sie neue B-Zell-Klone mobilisiert, die bisher nicht verwendet wurden. Und da jeder B-Zell-Klon Antikörper mit einem anderen Angriffspunkt bildet, könnte die Immunreaktion insgesamt breiter ausfallen.

Die Frage, welche Seite die bessere ist, hat in der Coronaepidemie Epidemiologen und Immunologen beschäf­tigt. Daniel Grupel von der Ben-Gurion-Universität des Negev (BGU) hatte hierzu die Daten des Krankenver­sicherers Clalit ausgewertet.

In den Krankenakten wurde angegeben, welche Seite für die Boosterung verwendet wurde. Von 2,7 Millionen Versicherten, die zwischen Dezember 2020 und Dezember 2021 mit dem Biontech-Impfstoff BNT162b ge­impft wurden, entschieden sich 2,4 Millionen bei der Boosterung für dieselbe Seite. Nach den in Clinical Microbiology and Infection (2023; DOI: 10.1016/j.cmi.2022.11.009) publizierten Ergebnissen, erkrankten sie in der Folge zu 17 % seltener an COVID-19 (Odds Ratio 0,83; 95-%-Konfidenzintervall 0,73-0,94).

Das Team um Martina Sester von der Universität des Saarlandes in Homburg lieferte in eBioMedicine (2023; DOI: 10.1016/j.ebiom.2023.104743) dafür die immunologische Erklärung. Der Vergleich von 303 Personen, die zu Beginn der Coronaimpfkampagne ihre Erst- und Zweitimpfungen mit BNT162b entweder auf der ipsilateralen oder der kontralateralen Seite erhalten hatten, wies 2 Wochen nach der Impfung auf einen Vorteil der seitengleichen Impfung hin.

Zwar waren die mittleren Spike-spezifischen IgG-Spiegel nur unwesentlich stärker angestiegen (4.590 versus 4.002 BAU/ml). Auch die IgG-Avidität war ähnlich. Die neutralisierende Aktivität war nach der kontralateralen Impfung jedoch deutlich geringer ausgefallen. Im Serum der kontralateral geboosterten Personen waren auch seltener CD8-T-Zellen nachweisbar, die infizierte Zellen abtöten und dadurch die Wirkung der Antikörper ver­stärken, die von den B-Zellen gebildet werden.

Auch das Team um Marcel Curlin von der Oregon Health & Sciences University in Portland (OHSU) hatte in der aktuellen Studie an 947 Personen in den ersten Wochen eine vergleichbare Immunantwort zwischen den ipsi- oder kontralateral geboosterten Personen gefunden. Im Verlauf der folgenden Wochen und Monate ent­wickelten sich dann jedoch die Impfreaktionen nach der kontralateralen Boosterung besser.

Bei der ersten Untersuchung nach etwa 3 Wochen waren die spezifischen IgG-Antikörpertiter (die die Bin­dungsstellen von SARS-CoV-2 erkannten) nach der kontralateralen Boosterung nur um 20 % höher. Bei einer weiteren Kontrolle nach 12 Monaten war der Abstand auf 30 % gewachsen.

Noch deutlicher war der Unterschied, als die Forscher 54 Paare gegenüberstellten, die sich in den Personen­eigenschaften weitgehend glichen. Hier betrug der Unterschied in den ersten Wochen 30 % und nach 12 Monaten 70 %.

Bei der letzten Untersuchung haben die Forscher auch die Immunantwort gegen eine Omikron-Variante (B.1.1.529) untersucht, die damals bereits kursierte. Hier waren die Antikörper-Titer nach der kontralateralen Boosterung 3,4- bis 4-fach höher als nach der ipsilateralen Boosterung. Die Immunantwort gegen den Wild­typ D614G, gegen den der Impfstoff konfiguriert war, fiel nach der kontralateralen Boosterung nur 1,9- bis 2,0-fach stärker aus.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die kontralaterale Boosterung zu einer breiteren Immunantwort führt, die besser vor neuen Varianten schützen könnte. Klären ließe sich dies wohl erst in einer prospektiven ran­domisierten Studie, für die die jetzigen Ergebnisse gute Argumente liefern. Der Vergleich wäre nach Ansicht von Curlin nicht nur für COVID-19 relevant, sondern auch für die Routine-Impfungen im Kindesalter, die in der Regel auch eine mehrfache Impfung vorsehen.

rme

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