Ausland

Schlechte Luft schadet den Kindern und Jugendlichen in Europa

  • Montag, 24. April 2023
/Soloviova Liudmyla, stock.adobe.com
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Kopenhagen – Die hohe Luftverschmutzung mit Schadstoffen wie Feinstaub führt einer Schätzung zufolge in Europa jedes Jahr zum vorzeitigen Tod von Kindern und Jugendlichen. Außerdem steigert sie für Heranwach­sende das Risiko für Krankheiten im weiteren Lebensverlauf erheblich, wie aus heute vorge­stellten Berichten der Europäischen Umweltagentur (EEA) hervorgeht.

Es müsse mehr für den Schutz der kindlichen Gesundheit vor den negativen Folgen der Luftverschmutzung getan werden, erklärte die in Kopenhagen ansässige EU-Behörde.

Trotz Verbesserungen in den vergangenen Jahren liege die Belastung mit verschiedenen Schadstoffen in vie­len Ländern weiter hartnäckig über den von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Grenzwer­ten, besonders in Mittelosteuropa und Italien. Hauptgrund der dortigen Feinstaubbelastung sei die Verbrenn­ung fester Brennstoffe wie Kohle beim Heizen und in der Industrie.

Neben den Werten beim Feinstaub seien etwa auch die bei Ozon und Stickstoffdioxid nach wie vor zu hoch, so die Umweltagentur. Kinder und Jugendliche seien besonders anfällig, weil sich ihre Organe und ihr Im­mun­system noch in der Entwicklung befänden.

Alle Europäerinnen und Europäer müssten vor schlechter Luft geschützt werden – vor allem aber die Kinder, forderte EEA-Exekutivdirektor Hans Bruyninckx. Maßnahmen auf EU-, nationaler und lokaler Ebene müssten dringend weiter verstärkt werden, „um unsere Kinder zu schützen, die sich nicht selbst schützen können“. Bis zu wirklich sauberer Luft sei es noch ein weiter Weg.

Derzeit verursacht die Luftverschmutzung nach EEA-Schätzungen jährlich mehr als 1.200 vorzeitige Todes­fälle unter Minderjährigen in den 32 Mitgliedstaaten – dazu zählen neben den 27 EU-Ländern die Schweiz, Norwegen, Island, Liechtenstein und die Türkei. Obwohl die Zahl in dieser Altersgruppe verglichen mit der in der Gesamtbevölkerung relativ niedrig sei, stellten Todesfälle im frühen Lebensalter ein verlorenes Zukunftspotenzial dar.

„Wir können Kinder nicht wie kleine Erwachsene betrachten, wenn es um Umweltrisiken und Luftvers­chmutz­ung geht“, sagte der EEA-Experte Gerardo Sanchez. Sie hätten unter anderem eine höhere Atemfrequenz, at­meten mehr durch den Mund, befänden sich näher am Boden und hätten ein geringeres Gewicht. Ihre Bio­lo­gie sei anders, aber auch die Art und Weise, wie sie Luftverschmutzung ausgesetzt seien. Dies könne poten­ziell sehr schwerwiegende Gesundheitsfolgen haben, darunter eine herabgesetzte Lungenfunktion, Asthma und Allergien.

Um Kinder besser zu schützen, sei es am wichtigsten, die Luftverschmutzung an der Quelle – also im Verkehr, in der Industrie und beim Heizen – zu reduzieren, sagte Sanchez. Eine gute Maßnahme sei auch, sich auf eine Verbesserung der Luftqualität rund um Schulen und Kindergärten zu konzentrieren, etwa durch mehr Grünflächen.

Dazu, wie viele vorzeitige Todesfälle insgesamt auf die Luftverschmutzung zurückgehen, veröffentlicht die EEA in der Regel jeweils im Herbst eine neue Schätzung. Zuletzt waren es mit Blick auf Zahlen des Jahres 2020 in der EU knapp 240.000 allein durch Feinstaub. Weltweit sterben nach WHO-Angaben jährlich rund sieben Millionen Menschen vorzeitig infolge von Luftverschmutzung.

Probleme mit zu hohen Schadstoffwerten gibt es dabei häufig vor allem in den Städten. In den EU-Staaten mussten im analysierten Jahr 2021 mehr als 90 Prozent der Stadtbevölkerung mit Werten an Feinstaub (PM2.5), Ozon und Stickstoffdioxid leben, die über den WHO-Empfehlungen lagen. Gerade Feinstaub der Größenkategorie PM2.5 (Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer) gilt als schädlich und Verursacher von Schlaganfällen, Krebs und Atemwegserkrankungen. Die WHO-Richtwerte sind deutlich strenger gefasst als die Grenzwerte der EU.

Mancherorts weit im Süden und im Norden des Kontinents gibt es auch Lichtblicke: Die Städte mit der sau­bersten Luft in Europa sind gemessen an der Feinstaubbelastung Faro in Portugal sowie Umeå und Uppsala in Schweden, wie aus den jüngsten Vergleichswerten von 375 europäischen Städten hervorgeht.

Es folgen Funchal (Portugal), Tallinn (Estland), Tampere (Finnland) und Reykjavik (Island). Die besten Werte unter den deutschen Städten erzielen Kiel (Rang 19), Göttingen (22) und Lübeck (26), die schlechtesten Nürnberg (234), Berlin (238) und Gelsenkirchen (245). München liegt an 54., Hamburg an 161. Stelle.

Generell stufen die Umweltexperten Deutschland je nach Schadstoff unterschiedlich ein: Beim Feinstaub liegt die Bundesrepublik im vorderen Mittelfeld der analysierten Staaten, beim vor allem aus dem Straßen­verkehr stammenden Stickstoffdioxid schneidet sie dagegen aufgrund des hohen Verkehrs­aufkommens mit am schlechtesten ab.

dpa

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