Politik

Seenotrettung: EU-Staaten finden keine Lösung

  • Dienstag, 7. Juli 2020
Migranten auf einem Touristenboot vor Malta. /picture alliance
Migranten auf einem Touristenboot vor Malta. /picture alliance

Brüssel – Auf der Suche nach einer Lösung für die Seenotrettung kommen die EU-Staaten nicht voran. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) betonte zwar heute nach Bera­tun­­gen mit seinen EU-Amtskollegen, alle 27 Länder seien an einer nachhaltigen Rege­lung interessiert.

Bei der Videokonferenz wurde aber auch klar, dass es eine dauerhafte Lösung für den Um­gang mit den Bootsmigranten erst dann geben wird, wenn eine Einigung über die ge­plante gemeinsame Asylreform erzielt wird. Bei diesem Vorhaben gibt es in der Staaten­gemeinschaft allerdings seit Jahren kaum Bewegung.

Im September will die EU-Kommission neue Vorschläge vorlegen. Bis zu einem Abschluss der Reform – frühestens im nächsten Jahr – ist in Sachen Seenotrettung also weiterhin Krisendiplomatie gefragt.

Seehofer sagte zu, dass Deutschland sich bei übermäßiger Belastung Italiens und Maltas weiter an der Aufnahme von Bootsmigranten beteiligen werde. Zugleich gab er sich mit Blick auf die Asylreform optimistisch. Er sei zuversichtlich, dass unter deutscher EU-Rats­präsidentschaft einiges erreicht werde könne.

Noch bis Ende des Jahres leitet Seehofer die Treffen mit seinen Amtskollegen und will alles daran setzen, die Reform voranzubringen. Seine Staatssekretäre sollten das Alltags­geschäft verstärkt selbst in die Hand nehmen, damit er sich diesem Thema voll zuwenden könne. „Bei mir ist nochmal ein richtiges Feuer heute entzündet worden.“

Mit Blick auf die Seenotrettung sagte Seehofer grundsätzlich: „Fast alle Mitgliedstaaten, in unterschiedlicher Form, sind da zur Solidarität bereit.“ Einige Minister hätten erklärt, ihr Land könne Kontrollschiffe, Personal oder Geld zur Verfügung stellen. Die Bereitschaft mitzumachen sei auch von Staaten gekommen, „von denen man das bisher nicht gehört hat“, sagte Seehofer. „Es ist ein sehr, sehr dickes Brett, das wir hier zu bohren haben.“

Bis es eine Dauerlösung gebe, seien zwölf Länder „prinzipiell“ bereit, unverhältnismäßig belasteten Ländern zu helfen - „wenn klar ist, es gibt eine Dauerlösung“.

Noch im September hatte Seehofer sich mit seinen Kollegen aus Malta, Italien und Frank­reich auf eine Übergangsregelung für die Seenotrettung geeinigt – darauf wollte er bei der Videokonferenz heute eigentlich aufbauen. Auf 12 bis 14 EU-Staaten, die sich beteili­gen, hoffte Seehofer damals. Tatsächlich beteiligen sich neben Deutschland und Frank­reich meist nur wenige Länder wie Luxemburg und Irland an der Aufnahme von Boots­migranten.

Die Situation für die Migranten ist heute wieder wie vor der Malta-Einigung. Immer wie­der entstehen humanitäre Notlagen auf den Schiffen. Von Hungerstreik und Suizidversu­chen berichtete der Betreiber der „Ocean Viking“, die 180 Menschen im Mittelmeer gerett­et hatte, zuletzt. Auf einem anderen Schiff müssen Medienberichten zufolge mehr als 50 Gerettete seit dem Wochenende in dreckigen Tierställen schlafen. Bei jedem dieser Fälle muss kurzfristig geklärt werden, ob EU-Länder zur Aufnahme der Menschen bereit sind.

Seehofer forderte heute mehr Solidarität der anderen Länder. Zugleich betonte er, alle EU-Staaten befürworteten eine bessere Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Mittelmeerländern Libyen, Tunesien und Algerien, in denen die Migranten meist abfah­ren. So sollen weniger Migranten in Europa ankommen.

Bei jenen, die es doch schaffen, handelt es sich eigentlich nur um einen Bruchteil der Asyl­bewerber, die jedes Jahr nach Europa kommen. Dennoch ist die Frage der Seenot­rett­ung aus deutscher Sicht wichtig. Seehofers Idee: Wenn eine Lösung für diese kleine Gruppe gelingen würde, könnte das ein Vorbild für eine Reform des gesamten Asylsys­tems werden, die schon seit Jahren nicht vorankommt.

Seit 2018 hat die Bundesregierung die Aufnahme von 1.206 aus Seenot geretteten Boots­migranten zugesagt. In Deutschland angekommen sind davon allerdings nach Auskunft des Innenministeriums bislang nur 502 Menschen. Zum Vergleich: Allein 2019 wurden in Deutschland mehr als 165.000 Anträge auf internationalen Schutz gestellt.

dpa

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