Spahn legt Kabinettsentwurf zur Psychotherapeutenausbildung vor
Berlin – Das Bundeskabinett hat heute dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung aus dem Bundesgesundheitsministerium zugestimmt. Mit der Gesetzesnovelle soll die Ausbildung der derzeitigen Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten auf eine neue Grundlage gestellt und außerdem die psychotherapeutische Versorgung verbessert werden. „Wir schaffen eine eigenständige und fundierte Ausbildung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn heute vor der Presse in Berlin. „Damit wird ihre Qualifikation noch besser und ihr Beruf noch attraktiver. Das ist gut für Therapeuten und Patienten gleichermaßen“, so Spahn.
Künftig soll die Approbation nach einem fünfjährigen Universitätsstudium der Psychotherapie erteilt werden. Für den Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung ist eine anschließende Weiterbildung notwendig, in der die Fachkunde in einem wissenschaftlich anerkannten Verfahren erworben sowie Schwerpunkte in der Behandlung von Erwachsenen beziehungsweise Kinder- und Jugendlichen gesetzt werden. „Erst dann kann der Eintrag ins Arztregister erfolgen, die Voraussetzung für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung“, stellte Spahn klar.
Regelung zur berufsgruppenübergreifenden koordinierten Zusammenarbeit im Gesetzentwurf
Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf zur Reform der Psychotherapeutenausbildung einen Auftrag an den Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA) zur Ergänzung der Psychotherapie-Richtlinie. Um eine verbesserte und zeitgerechtere psychotherapeutische Versorgung zu erreichen, wird der G-BA beauftragt, eine berufsgruppenübergreifende koordinierte Zusammenarbeit der Psychotherapeuten mit anderen Leistungserbringern zu regeln. Diese Regelung ersetzt den Passus zur „gestuften und gesteuerten Versorgung“ (Paragraf 92 Absatz 6a SGB V) aus dem Terminservice- und Versorgungsgesetz. Diesen Passus hatten Therapeutenverbände, Ärzte und Patientenvertreter heftig kritisiert. In einer Bundestagspetition hatten sich zuletzt 217.000 Menschen gegen diese Regelung ausgesprochen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kritisierte dieses Vorhaben. Die Versorgung schwer psychisch Kranker zu verbessern ist eine politische Aufgabe", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Die dürfen wir nicht an die Selbstverwaltung abschieben, weil wir uns nicht einigen können", sagte Lauterbach.
Kein Modellversuchsstudiengang Psychopharmakotherapie
Der Kabinettsentwurf sieht im Gegensatz zum Referentenwurf keine Modellversuchsstudiengänge zum Erwerb von Kompetenzen in Psychopharmakotherapie mehr vor. „Nach vielfältigen Protesten vonseiten der Ärzte, aber auch der Psychotherapeuten selbst, haben wir die Möglichkeit der Modellstudiengänge rausgenommen“, erläuterte Spahn. Auch die – wie bisher – verpflichtende somatische Abklärung durch einen Arzt vor einer Psychotherapie sei deutlicher als im Referentenentwurf im Kabinettsentwurf formuliert.
Die neue Berufsbezeichnung laute, wie bereits im Referentenentwurf vorgegeben, Psychotherapeutin/Psychotherapeut. „Ärzte können dabei den Zusatz „ärztlicher“ Psychotherapeut führen, betonte Spahn. Diese Regelung hatte die Bundesärztekammer ebenfalls heftig kritisiert. „Die vorgesehene Reduktion der Berufsbezeichnung auf 'Psychotherapeut' für Absolventen des Direktstudienganges ist ein Etikettenschwindel. Das schlechter ausgebildete „Produkt“ bekommt die hübschere Verpackung", hatte Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montomery in einem Beitrag im Deutschen Ärzteblatt geschrieben. Wie solle die Bevölkerung erkennen, dass gerade Ärzte mit Facharztstatus als hoch qualifizierte Psychotherapeuten nach längerer Aus- und Weiterbildung und mit umfassenderem Wissen tätig seien, fragte Montgomery.
Der Gesetzentwurf sieht weiterhin vor, dass die inhaltliche Ausgestaltung der neuen Studiengänge in der Approbationsordnung für Psychotherapeuten näher geregelt wird. Im Ausbildungsziel des Gesetzes werden die Kompetenzen beschrieben, die insbesondere zur Teilnahme an der psychotherapeutischen Versorgung befähigen sollen. Gestärkt werden soll auch die wissenschaftliche Kompetenz, die zur Mitwirkung an einer Überprüfung und Weiterentwicklung psychotherapeutischer Verfahren befähigen soll.
Ausbildung solle die Breite der wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren umfassen
Im Einzelnen ziele die Ausbildung darauf ab, die psychotherapeutischen Kompetenzen zu erwerben, die grundlegend zur Behandlung von Patientinnen und Patienten aller Altersstufen befähigen, erläutert das BMG. Die Ausbildung solle die Breite der wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren umfassen. Nur mit einem breit angelegten Studium könnten die künftigen Psychotherapeuten eine sichere Entscheidung für ein späteres Vertiefungsverfahren in der Weiterbildung treffen.
Neue Studiengänge der Psychotherapie erstmals zum Wintersemester 2020
„Der Kabinettsentwurf ist der Beginn der parlamentarischen Beratungen – unser Ziel ist die Beschlussfassung bis zur Sommerpause“, sagte Spahn. Das Gesetz ist im Bundesrat zustimmungspflichtig. Ergänzend zu dem Gesetz werde eine Approbationsordnung entwickelt, die die Inhalte des Studiums und der psychotherapeutischen Prüfung näher regelt. Läuft alles nach Plan, sollen die neuen Studiengänge der Psychotherapie erstmals zum Wintersemester 2020 angeboten werden. „Darauf müssen sich die Universitäten vorbereiten“, betonte Spahn.
Die Bundesärztekammer (BÄK) lehnte im Vorfeld den Referentenentwurf zur Ausbildungsreform strikt ab. Der vorliegende Kabinettsentwurf werde derzeit „intensiv geprüft“, heißt es aus der BÄK. Frank Ulrich Montgomery befürchtet grundsätzlich „eine weitgehende Ausgliederung der Behandlung von psychisch Kranken aus dem medizinischen Versorgungssystem“. Anstatt auf eine ganzheitliche Behandlung komplexer Krankheitsbilder hinzuwirken, bedrohe die Reform eine individuelle somatische wie psychische Aspekte integrierende Versorgung. „Wir wollen Verbesserungen. Aber eine solche Reform darf nicht zulasten der Patienten gehen“, monierte Montgomery.
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßt den Kabinettsentwurf. „Der Entwurf ermöglicht eine breitere Qualifizierung für die ambulante und stationäre psychotherapeutische Versorgung “, erklärt Dietrich Munz, Präsident der BPtK. „Der Sonderweg der bisherigen Psychotherapeutenausbildung, der den Zugang zur Ausbildung aus heutiger Perspektive ungenügend regelt und unseren Nachwuchs in eine prekäre Lebenslage zwingt, wird beendet.“
Die BPtK sieht jedoch auch Nachbesserungsbedarf, insbesondere in Bezug auf eine zusätzliche finanzielle Förderung der ambulanten Weiterbildung. Die notwendige breitere und differenziertere Aus- und Weiterbildung von Psychotherapeuten sei „nicht zum Nulltarif möglich“. Dieser Bedarf entstehe durch spezifische psychotherapeutische Weiterbildungsleistungen, wie die Supervision, Selbsterfahrung und Theorievermittlung sowie durch die Ausgaben für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der Psychotherapeuten während der ambulanten Weiterbildung.
Übergangsregelungen für derzeitige Psychotherapeuten in Ausbildung gefordert
Erste Reaktionen kommen auch aus der Politik. „Der Kabinettsentwurf geht in die richtige Richtung, aber er muss noch erweitert werden, weil die Finanzierung der ambulanten Weiterbildung weiterhin ungeklärt bleibt“, sagt die Sprecherin für Gesundheitspolitik von Bündnis 90/Die Grünen, Maria Klein-Schmeink. Auch fehle eine Regelung, um die prekäre finanzielle Situation der aktuellen Psychotherapeuten in Ausbildung zu beenden. Bis zur Umsetzung des Gesetzes würden noch etliche Jahrgänge nach altem Recht eine fünfjährige Ausbildung nach abgeschlossenem Psychologiestudium ohne geregelte sozialrechtliche Absicherung und Entgelt absolvieren müssen. „Das muss noch im Gesetzgebungsverfahren mit einer Übergangsregelung gelöst werden“, fordert Klein-Schmeink.
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