Medizin

Spenderorgane: Längere Aufbewahrung rückt etwas näher

  • Donnerstag, 2. März 2017

Minneapolis – US-Forscher haben einen möglichen Ansatz zur längeren Aufbewahrung von Spenderorganen entwickelt. Im Labor gelang es ihnen, tierische Gewebeteile mit einem besonderen Verfahren schonend tiefzukühlen und dann mittels magnetischer Nanopartikel in einem Induktionsfeld ebenso schonend und blitzschnell wieder zu erwär­men.

Dies könnte die Möglichkeit eröffnen, Gewebe und Organe irgendwann langfristig zu lagern, schreibt das Team um Navid Manuchehrabadi von der University of Minnesota im Fachjournal Science Tranlational Medicine. (2017; doi: 10.1126/scitranslmed.aah4586). Bislang müssen Spenderorgane oft bin­nen Stunden verpflanzt werden, weil sie sonst nicht mehr funktionsfähig sind. Bis das neue System einsatzfähig ist, dürfte es aber nach Ansicht eines deutschen Experten noch Jahrzehnte dauern.

Die superschnelle Kühlung namens Vitrifizierung (Verglasung) ist schon seit einiger Zeit möglich. Den Zellen wird dabei Wasser entzogen und durch ein Kälteschutzmittel er­setzt. Das soll verhindern, dass sich beim Einfrieren Eiskristalle bilden, die das Gewebe schädigen. Das Verfahren kommt auch beim Einfrieren von Eizellen zum Einsatz.

Das Problem bei Organen ist bislang vielmehr der Prozess des Auftauens. Es muss schnell und gleichmäßig geschehen, damit dass Gewebe keinen Schaden nimmt und funktionsfähig bleibt. Bislang gelang das nur im sehr kleinem Maßstab. Nun konnten die Forscher einen Erfolg verbuchen, indem sie vor dem Einfrieren Nanopartikel aus Eisen­oxid zusammen mit dem Kälteschutzmittel in das Gewebe einbrachten. Sie konnten die Partikel mit Hilfe von elektromagnetischen Wellen gleichmäßig und schnell erwärmen. Das Gewebe konnte dadurch in einer Minute um 100 bis 200 Grad erwärmt werden. Das sei zehn- bis 100-mal schneller als bei früheren Methoden, schreiben die Forscher.

In den ein bis 50 Millimeter umfassenden biologischen Proben – darunter Haut-Bindege­webszellen, Stücke einer Arterie und einer Herzklappe vom Schwein – zeigten sich bei einer anschließenden Untersuchung keine Veränderungen der Gewebe. Die Nanopar­tikel ließen sich später ohne Rückstände auswaschen, berichten die Forscher.

„Jetzt muss das Ganze aber auch auf einer höheren Ebene gelingen“, betonte Mitautor John Bischof in einer Telefonkonferenz. Größere, menschliche Organe erforderten auch angepasste Lösungen, um sie unversehrt tiefzukühlen und auch die Kälteschutzflüssig­keit mit den Eisenoxid-Partikeln ausreichend zu verteilen. Sieben bis zehn Jahre, so schätzt Koautor Kelvin Brockbanck, werde es dauern, bis diese Probleme gelöst und Organbanken denkbar seien.

Derzeit können Herzen und Lungen etwa vier Stunden, Leber und Bauchspeicheldrüse bis zu zwölf Stunden und Nieren bis zu 36 Stunden gelagert werden. In den USA werden laut Studie 60 Prozent der Spenderherzen und -lungen weggeworfen, weil sie nicht rechtzeitig an einen Empfänger gelangen können. Für Deutschland sehe die Situation jedoch anders aus, betont Jan Gummert vom Universitätsklinikum Bochum, Herzchirurg und Vorstandsmitglied der Deutschen Transplantationsgesellschaft. „Wir haben gar nicht genug Spenderorgane für eine Organbank. Auf jedes Organ warten fünf bis zehn Empfän­ger.“ Der Anteil der Spenderorgane, die nicht verwendet würden, läge im Pro­mille­bereich. In der Tat meldete die Deutsche Stiftung Organspende im Januar einen Tiefststand bei Organspenden.

Aktuell sei das Einfrieren von Organen noch keine Hilfe, sagt Gummert. „Wenn es Spenderorgane im Überfluss gäbe – beispielsweise durch Xenotransplantate – dann wäre ein solches Verfahren im klinischen Alltag sinnvoll.“ Xenotransplantate sind in Tieren gewachsene Organe, die dann Menschen eingesetzt werden. Noch ist das aber keine etablierte Technik. Gummert sieht noch viele offene Fragen zu der neuen Lager­technik der US-Forscher. „Etwa ob die Lösung auch in komplexe Organe gespritzt werden kann.“ Bis ein solches Verfahren konkret werde, dürfte es noch Jahrzehnte an Forschung brauchen, schätzt der Transplantationsexperte. Dennoch sei das Nanopar­tikel-Projekt grundsätzlich spannend und habe großes Potenzial auch für andere Bereiche.

So halten die US-Forscher es auch für möglich, die induktive Erhitzung in der Krebs­medi­zin anzuwenden. Voraussetzung: Die Nanopartikel müssten gezielt in Tumorzellen eingebracht werden. Die Krebszellen könnten so zerstört werden. Ähnliche Verfahren werden bereits erprobt – vor Jahren machte Charité-Forscher Andreas Jordan einen solchen Ansatz im Kampf gegen Hirntumore bekannt. Besonders verbreitet ist die punktuelle Hyperthermie mit Nanopartikeln aber nach Einschätzung des Deutschen Krebsforschungszentrums noch nicht.

dpa

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