Sprechstundenzeiten: Längst mehr als 25 Stunden

Berlin – Die im Koalitionsvertrag geforderte Verlängerung der Mindest-Sprechstundenzeiten bei den niedergelassenen Ärzten geht an der Versorgungsrealität vorbei. Der Grund: Die meisten Ärzte sind längst länger als 25 Stunden in ihren Praxen. Das berichtet das Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung (Zi) in einer neuen Untersuchung.
Derzeit sind Vertragsärzte verpflichtet, persönlich mindestens 20 Stunden wöchentlich in Form von Sprechstunden zur Verfügung zu stehen. Nach dem Willen der Politik sollen es künftig mindestens 25 Wochenstunden sein.
Das Zi hat untersucht, wie die Arbeitszeiten in den Praxen im Einzelnen aussehen. Datengrundlage waren die Angaben von rund 3.800 Einzelpraxen und 1.000 Gemeinschaftspraxen von Vertragsärzten und -psychotherapeuten aus dem Jahr 2015, die im Rahmen des jährlich durchgeführten Zi-Praxis-Panels (ZiPP) erhoben werden.
Da keine rechtlich bindende Definition des Begriffs „Sprechstunde“ existiert, haben die Zi-Wissenschaftler die sogenannten Betriebszeiten zum Vergleich herangezogen. Damit sind die Stunden gemeint, in denen ein Arzt in der Praxis anwesend ist. Laut Zi liegen die Betriebszeiten bei durchschnittlich 38,8 Wochenstunden. Insgesamt gaben rund 92 Prozent der Praxen Betriebszeiten von 25 Stunden und mehr pro Woche an. „Die derzeitige Diskussion zur Erhöhung der Mindestanzahl von Sprechstunden pro Woche betrifft nur eine sehr kleine Zahl von Praxen“, erläuterte Dominik von Stillfried, Geschäftsführer des Zi. Es sei nicht zu erwarten, dass mit einer gesetzlichen Vorgabe „auch nur ein einziges Versorgungsproblem gelöst wird“, so der Zi-Geschäftsführer.
Bürokratieabbau effektiver
Laut Zi arbeiten Praxisinhaber im Durchschnitt 51,5 Wochenstunden. Davon widmen sie ihren gesetzlich versicherten Patienten 35,8 Wochenstunden. Auf Privatpatienten entfallen 5,8 Stunden, wobei es in ländlichen Gebieten und weiten Teilen der neuen Bundesländer verhältnismäßig wenige Privatpatienten gibt und deren Behandlung im Praxisalltag dort kaum eine Rolle spielt. Allerdings müssen Praxisinhaber etwa 14 Stunden pro Woche für Aufgaben ohne direkten Patientenkontakt einsetzen. Hierzu zählen Dokumentationen, Befundstellungen, Praxismanagement und die Teilnahme an Fortbildungen. Um mehr Zeit für die Patienten zu schaffen, wäre es laut Zi daher sinnvoll, die Ärzte und Psychotherapeuten von bürokratischen Aufgaben zu entlasten.
Budgetdeckel lockern
Stillfried wies darauf hin, dass bei einer Ausweitung der gesetzlichen Sprechstundenzeiten die Vergütung grundlegend verändert werden müsste. „Die Anreize für längere Arbeitszeiten am Patienten werden durch die gegenwärtigen Budgetdeckel ausgebremst. Wer wie die niedergelassenen Ärzte durchschnittlich zehn Prozent seiner Arbeit nicht erstattet bekommt, wird nicht bereit sein, noch mehr Zeit zu investieren“, erklärte von Stillfried.
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