Politik

Offene Sprechstunde: Ärzte befürchten Chaos in den Praxen

  • Freitag, 20. Juli 2018
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Berlin – Die Vertragsärzte sollen nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) künftig verpflichtend offene Sprechstunden anbieten. Dafür soll es mehr Geld geben. Die Ankündigung des Ministers aus dem Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt stieß heute auf ein geteiltes Echo.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) befürchtet „Chaos in den Praxen“. „Der Vorschlag ist gut gemeint, aber wird kein Problem lösen, dafür neue schaffen“, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen. Zusätzliches Geld für offene Sprechstunden klinge gut, sei aber „eine Mogelpackung“, erklärte er.

Das ärztliche und nichtärztliche Personal in den Praxen werde immer knapper, und die Terminvergabe, auf die vor Jahren nicht zuletzt auch die Politik gepocht habe, habe sich grundsätzlich bewährt, ergänzte der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Stephan Hofmeister. Er befürchtet, dass die offenen Sprechstunden in der Regel nicht von Kranken genutzt werden, die schnell ärztliche Hilfe benötigen. Diese Menschen sollten und könnten nicht stundenlang im Wartezimmer sitzen. Das gleiche gelte für chronisch Kranke, für die die Praxen dann weniger freie Termine hätten, so Hofmeister.

Organisation muss der Arzt bestimmen

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes (DHÄV), Ulrich Weigeldt, erläuterte, dass es schon heute so sei, dass Hausärzte Patienten, die Hilfe benötigten, auch ohne Termin behandelten. „Wenn diese Leistungen zukünftig endlich vernünftig bezahlt werden sollen, dann wäre das ein Schritt in die richtige Richtung“, so Weigeldt.

Er lehne aber verpflichtende Regelungen klar ab, die Ärzten vorschreiben, wie sie konkret ihren Praxisalltag zu organisieren hätten. „Vorgaben von oben helfen den Kolleginnen und Kollegen vor Ort sicher nicht. Zudem wären solche zusätzlichen Regulierungen mit dem freien Arztberuf nicht vereinbar“, monierte er. Die Entschei­dung, in welcher Form offene Sprechstunden angeboten werden, müsse den Ärzten überlassen werden. Zur Wahrheit gehöre zudem, dass die Zeit des einzelnen Hausarztes sich nicht dadurch vermehre, dass er offene Sprechstunden anbietet.

Dirk Heinrich, der Bundesvorsitzende des NAV-Virchow-Bunds, bezeichnete die Lösungs­ansätze als nicht konsequent genug. „Anstatt wenigstens die Grundleistungen von Haus- und Fachärzten zu entbudgetieren, wird ein kleiner Bereich heraus­genommen, nämlich neue Patienten in offenen Sprechstunden und über die Terminservicestellen vermittelte Patienten“, erklärte Heinrich. Und auch für diese Bereiche werde – wie oft fälschlicherweise dargestellt – nicht mehr Geld bezahlt. Die Leistungen würden nur erstmals vollständig bezahlt, sagte er.

Entscheidend ist für ihn, wie konsequent und verpflichtend das Gesetz im Hinblick auf die Finanzierung formuliert ist. „Krankenkassen müssen dem politischen Willen folgen und dafür auch das erforderliche Geld zur Verfügung stellen“, mahnte Heinrich. Zu oft hätten sich die Kassen in der Vergangenheit aus ihrer Verpflichtung herausgemogelt, die Ärzte in den Verhandlungsrunden überstimmt und mithilfe der Stimme des Schlichters mit Brosamen abgespeist.

Krankenkassen wiollen keine zusätzlichen Mittel bereitstellen

Die Krankenkassen senkten heute bereits zu hohe Erwartungen. „Es gehört zu den gesetzlichen Kernaufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen, mit den nieder­gelassenen Ärzten die ambulante medizinische Versorgung sicherzustellen. Dafür werden die Ärzte aus den Portemonnaies der Beitragszahler gut bezahlt“, sagte Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes.

Dass es bei der Terminvergabe und den Sprechzeiten Probleme gebe, bezeichnete er als „offensichtlich“. Deshalb sei es gut, dass die Bundesregierung die Mindest­sprechzeiten erhöhen, offene Sprechzeiten verpflichtend einführen und die Terminservicestellen ausbauen wolle.

„Wir erwarten jedoch, dass die geplanten zusätzlichen Gelder für diejenigen Ärzte, die Patienten über die Terminservicestellen annehmen, den Beitragszahlern nicht zusätzlich in Rechnung gestellt werden“, so von Stackelberg. Wenn ein kleiner Teil der Ärzte nicht genug Termine anbiete, sei das ein innerärztliches Verteilungsproblem.

may

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