Medizin

Steigende Kohlendioxid-Be­lastung führt zu Protein- und Eisendefizit

  • Donnerstag, 3. August 2017
Klimagas und Atomkraft vor Getreidefeld /MACLEG, stock.adobe.com
Kohlendioxid ist das bei weitem bedeutendste Klimagas. Es entsteht fast ausschließlich bei den Verbrennungsvorgängen in Anlagen und Motoren. / MACLEG, stock.adobe.com

Boston – In 18 Ländern könnten bis zum Jahr 2050 fünf Prozent der Proteine in Reis, Getreide und anderen Grundnahrungsmitteln verloren gehen. Die Voraussetzung dafür: Die Emission des Klimagases Kohlendioxid steigt weiterhin an. Zu diesem Schluss kommen Forscher der Harvard T. H. Chan School of Public Health in Boston in einer Studie, die in Environmental Health Perspectives (EHP) publiziert wurde (2017; doi: 10.1289/EHP41). Verschlimmert würde das Problem durch eine CO2-abhängige Reduk­tion des Eisengehalts in Grundnahrungsmitteln, heißt es in einer zweiten Studie, die in Geo Health erschienen ist (2017; doi: 10.1002/2016GH000018).

Menschen nehmen 76 Prozent der Proteine über Pflanzen auf. Ein Proteinmangel in Pflanzen aufgrund von CO2-Werten von 500 bis 700 ppm (parts per million: Teilchen pro eine Million Teilchen) könnte 2050 daher etwa 150 Millionen Menschen zusätzlich betreffen, schätzen die Autoren, die mit ihren Berechnungen das Risiko erstmals quantifizieren. In ihre Analyse bezogen sie zum einen Ergebnisse von Versuchen mit ein, bei denen Pflanzen hohen CO2-Werten ausgesetzt wurden. Zudem berücksichtigten sie Einkommensungleichheiten und demografische Faktoren.

Bei einer CO2-Emission von 500 bis 700 ppm würde der Anteil an Proteinen sin­ken: In Reis um 7,6 Prozent, in Getreide um 7,8 Prozent, in Gerste um 14,1 Pro­zent und in Kartoffeln um 6,4 Prozent. Dabei sind Pflanzen, die die C3-Photo­synthese nutzen, am stärksten betroffen (siehe Kasten). Sie könnten in den kom­menden 50 Jahren aufgrund steigender CO2-Emission bis zu 15 Prozent ihrer Proteine verlieren, berichtete der Autor Samuel S. Meyers bereits 2014 in einer Studie in Nature. In C4-Pflanzen wie Hirse und Mais nimmt der Proteingehalt hingegen nicht ab. Proteinverluste von 13,5 Prozent und 4,6 Prozent führen die Autoren zudem für Kichererbsen und Bohnen auf.

Größte Auswirkung für Indien erwartet

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Anteil der gefährdeten Population in Prozent. (a) derzeitige Situation (b) Situation bei CO 2 -Anstieg über 550 ppm (c) 2050 /EHP 2017 Myers Fig3

Unterschiedliche Essgewohnheiten sind daher auch eine Ursache dafür, dass der Protein­mangel nicht in allen Länder gleichermaßen zum Tragen kommen würde. Vor allem Indien wäre von diesem Defizit betroffen. Die Bevölkerung würde 5,3 Prozent der Proteine in ihrer herkömmlichen Nahrung verlieren. Darüber hinaus zählen die Forscher Bangladesh, die Türkei, Ägypten, Iran und den Irak zu den Ländern, in denen die meisten Menschen mit einem Proteinmangel zu kämpfen hätten. Der größte Anteil an der Gesamtbevölkerung wäre hingegen in Tajikistan, Bangladesh, Burundi, Liberia, in den besetzten Palästinensergebieten, im Irak und in Afghanistan zu verorten.

Weltweit erwarten die Forscher um Danielle E. Medek, Joel Schwartz und Samuel S. Meyers, dass bei einer pflanzlichen Ernährung mehr als sieben Prozent der Proteine verloren gehen. Für Regionen, die von C3-Grundnahrungsmitteln abhängig sind, bedeutet das: 7,9 Prozent weniger Proteine in Zentralasien, Nordafrika und im Mittleren Osten, 8,2 Prozent in Zentral- und Ost-Europa und 8,9 Prozent in China.

Kohlendioxid wirkt sich auf den Eisengehalt aus

Nicht nur die Proteine nehmen ab, wenn CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre zunehmen. Eine zweite Studie zeigt, dass bei Konzentrationen über 550 ppm der Eisengehalt in C3-Pflanzen um vier bis zehn Prozent abnimmt. Weltweit untersuchten die Autoren um Myers 152 Länder, um das Eisendefizit für 2050 zu prognostizieren: 1,4 Milliarden Kinder im Alter zwischen ein und fünf Jahren und Frauen im gebärfähigen Alter leben schon jetzt in Risikoländern. Dazu zählen Südasien und Nordafrika. Die Bevölkerung in diesen Ländern könnte 3,8 Prozent Eisen in Grundnahrungsmitteln aufgrund von CO2 in der Atmosphäre verlieren, schätzen die Forscher um Myers.

Für 2050 rechnen Experten damit, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre 500 ppm überschreiten wird. 2015 betrug der Kohlendioxid-Anteil an den gesamten Treib­hausgas-Emissionen 87,8 Prozent, teilt das Umweltbundesamt auf seiner Webseite mit. Zwar gehen in Deutschland die Emissionswerte seit 1990 kontinuierlich zurück. Den­noch stieg im September 2016 der Anteil an Kohlendioxid zum ersten Mal über 400 ppm.

gie

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