Ärzteschaft

Steiner: Bürokratieabbau kann Kosten dämpfen

  • Freitag, 12. September 2025
Sibylle Steiner, Mitglied des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung /Jürgen Gebhardt
Sibylle Steiner, Mitglied des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung /Jürgen Gebhardt

Berlin – Ein „echter, ein umfassender und nachhaltiger Abbau von Bürokratie“ wäre eine wirkungsvolle Stellschraube, um den steigenden Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) etwas entgegenzusetzen. Dies betonte heute Sibylle Steiner, Mitglied des Vorstands der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Auf der KBV-Vertreterversammlung sagte Steiner, hierfür brauche es keine jahrelangen Vorarbeiten einer Kommission – man könne „schnell spürbare Effekte“ erzielen, gerade im Bereich der ambulanten Versorgung. Leider sei aber das Schlagwort vom Bürokratieabbau „fast schon zu einer politischen Worthülse verkommen“.

Steiner verwies in diesem Zusammenhang auf einen aktuellen Fall vor dem Bundessozialgericht (BSG). Dort sei eine Regressforderung der Kassen aus rein formalen Gründen bestätigt worden, sagte sie. Diese Entscheidung habe man „mit Ungläubigkeit und Unverständnis“ aufgenommen, da sie allein auf den Formfehler rekurriere. „Medizinisch sachgerechte und wirtschaftliche Verordnungen dürfen nicht zu einem Regress führen“, forderte Steiner.

Sie mahnte zudem die gesetzliche Umsetzung der lange angekündigten und im Koalitionsvertrag versprochenen Bagatellgrenze an. Diese müsse für alle Verordnungen und auch für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die im Zusammenhang mit ärztlichen und psychotherapeutischen Leistungen stünden, greifen.

Beim Abbau von Bürokratie könne die Digitalisierung eine tragende Rolle einnehmen, so Steiner. Unter zwei Voraussetzungen: Erstens müssten vor einer Digitalisierung zunächst die Versorgungsprozesse analysiert und vereinfacht werden. Zweitens brauche man als zentrale Rahmenbedingung eine stabile und zuverlässige Telematikinfrastruktur (TI).

Allein von Mitte Juli bis Anfang August habe es für Teile der TI-Nutzer aber zehn relevante Ausfälle der elektronischen Patientenakte (ePA) gegeben, die sich auf 34,8 Stunden summiert hätten. Steiner zufolge kamen im selben Zeitraum neun eRezept-relevante Teilausfälle, die sich auf 34,6 Stunden summierten, hinzu.

„Das ist eine vollkommen inakzeptable Performance zulasten der Ärzte und Psychotherapeuten, die mit der TI arbeiten müssen. Deshalb appelliere ich an das BMG als Mehrheitsgesellschafter der Gematik: Kümmern Sie sich um die TI-Betriebsstabilität, damit die Patientenversorgung in den Praxen stabil bleiben kann“, betonte Steiner in Richtung Bundesgesundheitsministerium (BMG).

Zudem zeigten die aktuellen Nutzungsdaten der ePA einmal mehr, dass die Praxen Vorreiter bei der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen seien. „Weitere Akteure, insbesondere die Krankenhäuser, müssen jetzt endlich nachziehen“, forderte Steiner.

Sie sprach auch die Finanzierungsmechanismen bei der Digitalisierung an: Während die Krankenhäuser in den kommenden Jahren erneut mit Milliardenbeträgen unterstützt würden, wolle der Gesetzgeber die ambulante Versorgung beim geplanten Sondervermögen Infrastruktur nicht mit Fördermaßnahmen für leistungsfähige Praxisverwaltungssysteme und IT-Infrastruktur berücksichtigen. „Das, sehr geehrte Frau Ministerin Warken, ist eine unfaire Ungleichbehandlung zulasten der Praxen.“

Für zusätzliche Herausforderungen in den Praxen könnte nach Aussagen Steiners die geplante nächste Ausbaustufe der TI sorgen.

Zum Hintergrund: Das derzeit gängige Verschlüsselungsverfahren der TI darf nach Empfehlungen beziehungsweise Vorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Bundesnetzagentur nur noch bis zum 31. Dezember 2025 genutzt werden. Dementsprechend müssen alle betroffenen Komponenten bis Ende dieses Jahres getauscht und alle Systeme auf das neue Verfahren umgestellt werden.

Man habe seitens der KBV in den vergangenen Monaten mehrfach darauf hingewiesen, dass die Umstellung „zeitlich und mengenmäßig herausfordernd“ werde, betonte Steiner. Eine geforderte Verschiebung des Stichtags 31. Dezember habe die Gematik aber abgelehnt. Dort halte man die Migration bis zum Ende des Jahres weiterhin für realisierbar.

„Wir erwarten von der Gematik, dass sie die Umstellung auf das neue Verschlüsselungsverfahren und den damit verbundenen Austausch von TI-Komponenten genauestens monitort“, so Steiner.

Auf Drängen der KBV habe die Gematik einen „Kommunikations- und Eskalationsplan“ für den Austauschprozess in Aussicht gestellt, den sie nächste Woche vorlegen wolle. Trotzdem brauche man einen „Plan B“, wenn bis zum 1. Januar 2026 nicht alle Nutzer die notwendigen Komponenten tauschen könnten. Auch das gehöre zur Verantwortung der Gematik für die Betriebsstabilität der TI.

aha

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