Politik

Streit um Erstattung von Verbandsmaterial

  • Donnerstag, 3. September 2020
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Berlin – Verbandsmaterialien, die einen pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Einfluss auf die Wundheilung haben, müssen künftig ihren medizinischen Nutzen beweisen, bevor sie verordnet werden dürfen. So entschied es der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 20. August. Kritik kam nun von Medizinprodukteherstellern.

Im Jahr 2017 hatte das „Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung“ (HHVG) erstmals den Begriff der „Verbandmittel“ rechtlich konkretisiert (§ 31 Absatz 1a Sozial­ge­setzbuch V). Daraufhin wurde der G-BA damit beauftragt, die Abgrenzung von „Verband­mitteln“ zu sonstigen Produkten der Wundversorgung zu klären. Mit Beschluss vom 20. August 2020 definierte der Ausschuss nun auch, welche Verbandsprodukte zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden können.

Demnach gibt es zukünftig drei Kategorien: Als „Verbandmittel“ zählt nur Material, das seine Wirkung ausschließlich oberflächlich entfaltet, also eine Wunde bedeckt, kompri­miert oder feucht hält, Wundsekrete aufsaugt, Körperteile stabilisiert oder immobilisiert.

Verbandmittel mit „ergänzenden Eigenschaften“, beispielsweise antimikrobielle Auflagen, fallen nur dann unter die neue Begriffsdefinition, wenn sie unmittelbar an der Wundober­fläche wirken. Andere „Produkte zur Wundbehandlung“, die die Wundheilung im Körper aktiv pharma­kologisch, immunologisch oder metabolisch beeinflussen, zählen nicht zu den „Verband­mitteln“.

„Produkte, die eine eigenständige therapeutische Wirkung entfalten, müssen zukünftig vom G-BA auf ihren medizinischen Nutzen hin überprüft werden. Nur wenn sie der Wund­heilung nachweislich nutzen, können sie verordnet werden“, sagte Josef Hecken, unpar­tei­ischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses für Arzneimittel.

Der G-BA-Beschluss tritt erst mit seiner Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Der Gesetzgeber hat zudem eine Übergangsfrist von einem Jahr vorgesehen, in der alle Ver­bandsmaterialien wie bisher von der GKV bezahlt werden sollen.

Bereits vor dem Beschluss hatten verschiedene Interessensvertreter in den Anhör­ungs­ver­fahren des G-BA ihre Einwände geäußert, darunter auch der Bundesverband Medizin­technologie (BVMed).

Das zugrundeliegende Gesetz unterscheide bewusst nicht danach, ob eine „ergänzende Eigenschaft“ auf aktive oder passive Weise der Wundheilung dient oder an welchem Ort die Wundheilung positiv beeinflusst werde, so die Kritik. Der genaue Wirkort, beispiels­weise einer antimikrobiellen Wundauflage, ließe sich jedoch nicht immer exakt bestim­men.

„Mit der jetzt getroffenen Regelung fallen bestimmte antimikrobielle Verbandmittel, die insbesondere für komplexe und infizierte Wunden genutzt werden, nach einer gesetz­li­chen Übergangsfrist von 12 Monaten aus der Erstattung, wenn nicht ein gesonderter Nut­zennachweis über aufwändige Studien erbracht wird“, erklärte BVMed-Geschäftsführer Marc-Pierre Möll.

Die beschlossene Regelung sei daher „weder praxistauglich, noch können wissen­schaftli­che Belege für eine solche Abgrenzung erbracht werden“, kritisierte er. Rund 900.000 Menschen in Deutschland würden an chronischen Wunden leiden. Für viele von ihnen sei­en die „ergänzenden“ Wirkeigenschaften wichtig für die Wundversorgung. Ihr Versor­gungsanspruch werde durch die Regelung eingeschränkt, so der BVMed.

jff

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