Streit um Erstattung von Verbandsmaterial

Berlin – Verbandsmaterialien, die einen pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Einfluss auf die Wundheilung haben, müssen künftig ihren medizinischen Nutzen beweisen, bevor sie verordnet werden dürfen. So entschied es der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 20. August. Kritik kam nun von Medizinprodukteherstellern.
Im Jahr 2017 hatte das „Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung“ (HHVG) erstmals den Begriff der „Verbandmittel“ rechtlich konkretisiert (§ 31 Absatz 1a Sozialgesetzbuch V). Daraufhin wurde der G-BA damit beauftragt, die Abgrenzung von „Verbandmitteln“ zu sonstigen Produkten der Wundversorgung zu klären. Mit Beschluss vom 20. August 2020 definierte der Ausschuss nun auch, welche Verbandsprodukte zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden können.
Demnach gibt es zukünftig drei Kategorien: Als „Verbandmittel“ zählt nur Material, das seine Wirkung ausschließlich oberflächlich entfaltet, also eine Wunde bedeckt, komprimiert oder feucht hält, Wundsekrete aufsaugt, Körperteile stabilisiert oder immobilisiert.
Verbandmittel mit „ergänzenden Eigenschaften“, beispielsweise antimikrobielle Auflagen, fallen nur dann unter die neue Begriffsdefinition, wenn sie unmittelbar an der Wundoberfläche wirken. Andere „Produkte zur Wundbehandlung“, die die Wundheilung im Körper aktiv pharmakologisch, immunologisch oder metabolisch beeinflussen, zählen nicht zu den „Verbandmitteln“.
„Produkte, die eine eigenständige therapeutische Wirkung entfalten, müssen zukünftig vom G-BA auf ihren medizinischen Nutzen hin überprüft werden. Nur wenn sie der Wundheilung nachweislich nutzen, können sie verordnet werden“, sagte Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses für Arzneimittel.
Der G-BA-Beschluss tritt erst mit seiner Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Der Gesetzgeber hat zudem eine Übergangsfrist von einem Jahr vorgesehen, in der alle Verbandsmaterialien wie bisher von der GKV bezahlt werden sollen.
Bereits vor dem Beschluss hatten verschiedene Interessensvertreter in den Anhörungsverfahren des G-BA ihre Einwände geäußert, darunter auch der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed).
Das zugrundeliegende Gesetz unterscheide bewusst nicht danach, ob eine „ergänzende Eigenschaft“ auf aktive oder passive Weise der Wundheilung dient oder an welchem Ort die Wundheilung positiv beeinflusst werde, so die Kritik. Der genaue Wirkort, beispielsweise einer antimikrobiellen Wundauflage, ließe sich jedoch nicht immer exakt bestimmen.
„Mit der jetzt getroffenen Regelung fallen bestimmte antimikrobielle Verbandmittel, die insbesondere für komplexe und infizierte Wunden genutzt werden, nach einer gesetzlichen Übergangsfrist von 12 Monaten aus der Erstattung, wenn nicht ein gesonderter Nutzennachweis über aufwändige Studien erbracht wird“, erklärte BVMed-Geschäftsführer Marc-Pierre Möll.
Die beschlossene Regelung sei daher „weder praxistauglich, noch können wissenschaftliche Belege für eine solche Abgrenzung erbracht werden“, kritisierte er. Rund 900.000 Menschen in Deutschland würden an chronischen Wunden leiden. Für viele von ihnen seien die „ergänzenden“ Wirkeigenschaften wichtig für die Wundversorgung. Ihr Versorgungsanspruch werde durch die Regelung eingeschränkt, so der BVMed.
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