Studie: Kinder infizieren sich seltener mit SARS-CoV-2 als ihre Eltern

Stuttgart – Kinder sind bei SARS-CoV-2 offenbar nicht Treiber des Infektionsgeschehens, wie man es etwa von anderen Infektionserkrankungen wie der Influenza kennt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie mit 5.000 Eltern-Kind-Paaren, deren Ergebnisse heute bei einer Regierungspressekonferenz des Landes Baden-Württembergs vorgestellt wurden. Kinder erkranken demnach seltener als ihre Eltern.
Wissenschaftler der vier Universitätskliniken in Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Ulm untersuchten die Paare aus jeweils einem Elternteil und einem Kind im Alter von einem bis zehn Jahren zum einen per PCR-Test auf eine akute Infektion und zum anderen per Antikörpertest auf eine unbemerkt durchgemachte Infektion.
Acht Wochen nach Start der vom Land Baden-Württemberg initiierten und finanzierten Studie liegen nun die Ergebnisse vor: Nur ein Eltern-Kind-Paar unter den circa 5.000 Studienteilnehmern sei zum Zeitpunkt des Tests positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden, berichtete Klaus-Michael Debatin, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Ulm. Der Anteil der akuten Virusträger in der Studie habe somit bei unter einem Promille gelegen.
Auch was das Vorhandensein von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 anging, war die Inzidenz mit ein bis zwei Prozent verhältnismäßig gering, „von einer Herdenimmunität sind wir weit entfernt“, so Debatin.
Die Tests zur Bestimmung von SARS-CoV-2-Antikörpern im Blut als Nachweis einer überstandenen Infektion waren zum Zeitpunkt des Studienbeginns noch neu und unvollständig validiert. Aus diesem Grund wurden alle Blutproben mit mindestens zwei verschiedenen Testverfahren untersucht und positive beziehungsweise zunächst unklare Ergebnisse mit weiteren Tests – auch Neutralisationstests – bestätigt oder ausgeschlossen.
Insgesamt fiel die Testung auf Antikörper bei 45 Erwachsenen und 19 Kindern positiv aus. Die getesteten Kinder waren also seltener infiziert als Erwachsene. Weniger als ein Drittel der auf Antikörper positiv getesteten Personen waren Kinder. Bei 13 Eltern-Kind-Paaren waren beide infiziert, das heißt die Erkrankung eines Elternteils führt nicht zwingend zur Erkrankung des Kindes und umgekehrt.
Zu beachten sei, „dass die Ergebnisse nicht unmittelbar auf die Gesamtbevölkerung übertragbar sind, da die Teilnehmer sich zwecks eines schnellen Studienstarts auf einen Aufruf gemeldet haben und nicht zufällig ausgewählt worden sind“, erklärte Hans-Georg Kräusslich, Sprecher des Zentrums für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Die meisten Teilnehmer stammten aus den vier Universitätsstädten, die Studienpopulation umfasst jedoch Einwohner ganz Baden-Württembergs.
„Zwar gab es Unterschiede zwischen den vier Standorten, aber die Zahl der Personen mit durchgemachter Infektion war an allen vier Standorten niedrig und überall wurden weniger Kinder als Erwachsene positiv getestet“, sagte Kräusslich.
„Die Daten tragen gemeinsam mit den Ergebnissen anderer Studien aus dem In- und Ausland zur Einschätzung bei, welche Rolle Kinder bei der Ausbreitung der Corona-Pandemie spielen“, resümierte Debatin. „Insgesamt scheinen Kinder demnach nicht nur seltener an COVID-19 zu erkranken, was schon länger bekannt ist, sondern auch seltener durch das SARS-CoV-2-Virus infiziert zu werden.“
Eine Fragestellung der Studie war, ob Infektionen bei Kindern, die in Notbetreuungen waren, häufiger auftraten als bei denjenigen, die ausschließlich in der Kernfamilie gelebt hatten. Aufgrund der insgesamt geringen Anzahl von Kindern mit überstandener Infektion unter den Studienteilnehmern war es jedoch schwierig, hierzu signifikante Unterschiede zu finden.
Die Ergebnisse deuteten jedoch darauf hin, dass Kinder in Notbetreuung sich nicht häufiger mit SARS-CoV-2 infizieren, sagte Kräusslich. Dies muss aber noch in einer Folgestudie untersucht werden.
Eine Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie ist in Vorbereitung und wird voraussichtlich im kommenden Monat eingereicht werden. Zusammenfassende Beschreibungen der Methoden und vorläufigen Ergebnisse wurden online veröffentlicht, um Forschenden und der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, die Grundlage der getroffenen Aussagen zu bewerten.
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