Medizin

Studie: Quarantäne auf Kreuzfahrtschiff erhöhte Zahl der Infektionen

  • Montag, 2. März 2020
/picture alliance, Kyodo
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Umeå/Schweden – Die Quarantäne, die die japanischen Behörden den Passagieren des Kreuzfahrtschiffs Diamond Princess auferlegten, hat die Zahl der Infektionen deutlich er­höht. Wären die Passagiere außerhalb des Schiffes isoliert worden, wären nach Berech­nun­gen im Journal of Travel Medicine (2020; doi: 10.1093/jtm/taaa030) statt 619 Patien­ten nur 70 erkrankt.

Weil auf Kreuzfahrtschiffen viele Menschen auf engem Raum über längere Zeit zu­sam­men­kommen, ist das Risiko von Epidemien hoch. Dies gilt insbesondere für Atemwegs­in­fektionen.

Im September 2000 erkrankten auf einem Schiff vor der australischen Küste 310 von mehr als 1.100 Passagieren. Im Mai 2009 kam es auf einen Kreuzfahrtschiff während der „Schweinegrippe“-Epidemie gleichzeitig zu zwei Ausbrüchen.

Von 1.970 Passagieren und 734 Besatzungsmitgliedern wurde bei 82 eine Infektion mit dem Pandemievirus 2009/H1N1 nachgewiesen, während 98 sich mit dem Influenzavirus A (H3N2) angesteckt hatten. Bei zwei Passagieren wurden beide Viren nachgewiesen.

Die japanischen Behörden mussten deshalb mit dem Schlimmsten rechnen, als am 3. Februar von der Diamond Princess zehn Erkrankungen mit dem neuartigen SARS-CoV-2 gemeldet wurden. Als Index-Patient wurde ein Passagier ermittelt, der am 25. Januar an Bord gegangen war.

Als das Schiff den Hafen von Yokohama erreichte, wurde den Passagieren ein Landgang strikt verboten. Die 14-tägige Quarantäne führte dazu, dass 3.700 Personen auf den 18 Decks des Schiffes sich eine Fläche von 0,32 Quadratkilometern teilen mussten, von de­nen nur die Hälf­te auf den öffentlichen Bereich entfiel.

Joacim Rocklöv von der Universität Umeå errechnet eine Bevölkerungsdichte von 24.400 Personen pro Quadratkilometer, was damit etwa viermal so hoch war wie in Wuhan, wo die derzeitige COVID-19-Epidemie ihren Ausgang nahm.

Auch die Übertragungsrate war viermal so hoch wie in Wuhan. Rocklöv berechnet eine Basisreproduktionszahl, die Zahl die ein Infizierter ansteckt, auf 14,8. Sie lag damit in einem Bereich, der sonst nur von den Masern erreicht wird.

Ohne eine Isolierung der Infizierten wären nach weiteren Berechnungen von Rocklöv am Ende der Quarantäne wohl 2.920 Patienten (79 %) erkrankt. Die Maßnahmen haben sich deshalb wenigstens teilweise als erfolgreich erwiesen. Wären die Passagiere von Bord gelassen und die Infizierten an Land isoliert worden, wären nur 76 Personen erkrankt.

Die Entscheidung der japanischen Regierung, das gesamte Schiff unter Quarantäne zu stellen, sei zwar verständlich gewesen, schreibt Rocklöv. Aufgrund des hohen Übertra­gungsrisikos auf dem Schiff habe die Quarantäne an Bord jedoch insgesamt zu einem Anstieg der Erkrankungen geführt.

rme

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