Syphilis: Neuer Höchststand nach Rückgang während der Coronapandemie

Berlin – Noch nie sind in Deutschland so viele Erkrankungen an einer Syphilis registriert worden wie im Jahr 2022. Mit 8.305 gemeldeten Fällen wurde ein Höchststand erreicht, nachdem es in den ersten beiden Pandemiejahren zu einem Rückgang gekommen war. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat die neuen Zahlen im Epidemiologischen Bulletin (2024; DOI: 10.25646/11907) vorgestellt.
Die durch Treponema pallidum verursachte Syphilis, die nur beim Menschen auftritt, konnte bisher in keinem Land ausgerottet werden. In Deutschland war es zwar seit Ende der 1970er-Jahre in West und Ost zu einem Rückgang der Syphilis gekommen, die zu den frühen meldepflichtigen Erkrankungen gehört und dessen Verbreitung deshalb gut bekannt ist. Nach dem Auftreten von AIDS (Mitte der 1980er-Jahre) hatte sich der Rückgang weiter beschleunigt.
Seit dem Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) im Jahr 2001 ist es dann in Gesamtdeutschland zu einem Anstieg der Erkrankungen gekommen. Zwischenzeitlich stabilisierten sich die Zahlen in den Jahren 2004 und 2008 auf einem Niveau von etwa 4.000 pro Jahr, 2009 gingen sie sogar leicht zurück.
Seit 2010 steigen die Zahlen jedoch kontinuierlich an, abgesehen von einem Rückgang in den Pandemiejahren 2020/2021. Im Jahr 2022 wurden dem RKI 8.305 Syphilisfälle gemeldet. Mit einem Anstieg von 1.560 Fällen gegenüber 2021 (23,1%) hat die Anzahl der Syphilisfälle in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht.
Die Syphilis tritt vor allem in den Großstädten auf. Die Inzidenz ist deshalb in den Stadtstaaten Berlin (41,3 / 100.000 Einwohner) und Hamburg (23,1) deutlich höher als in den Metropolen-freien Flächenstaaten Sachsen-Anhalt (5,2), Mecklenburg-Vorpommern (4,9) und Brandenburg (4,4). Neben Berlin und Hamburg ist die Syphilis auch in Köln (42,9), München (38,9), Nürnberg (29,2), Frankfurt am Main (27,8) und Düsseldorf (25,5) verbreitet.
Die höchste Inzidenz wies mit 41,8 Fällen / 100.000 bei den Männern die Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen auf. Bei den Frauen ist die Erkrankung in der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen mit 3,2 / 100.000) am höchsten.
Der älteste gemeldete Patient war 80 Jahre alt, die jüngsten Patienten waren 0 Jahre alt. Letztere haben sich bei der Mutter infiziert. Wegen des (freiwilligen) Screenings von Schwangeren sind diese Fälle jedoch sehr selten geworden. Im Jahre 2022 wurden nur 6 Fälle einer konnatalen Syphilis gemeldet.
Die wichtigste Risikogruppe sind Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben. Auf diese Gruppe entfallen 85,6 % aller Erkrankungen – was auch erklärt, warum Frauen insgesamt 17-fach seltener als Männer (1,1 versus 18,9 / 100.000) erkranken.
Bei den MSM sind die Infektionszahlen zuletzt stark gestiegen, was das Team um Viviane Bremer vom RKI auf die erhöhte Risikobereitschaft in dieser Gruppe zurückführt.
Neben der Verbreitung von Partydrogen könnte auch die HIV-Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) eine wichtige Rolle spielen, da sie die Akteure vor HIV, aber nicht vor einer Syphilis und anderen sexuell übertragbaren Infektionen (STI) schützt.
Die derzeit diskutierte Prophylaxe gegen STI wie Syphilis, aber auch Chlamydien und Gonokokken durch die einmalige Einnahme von Doxycyclin („Doxy-PEP“) sehen die RKI-Mitarbeiter kritisch.
Die kurzzeitige Einnahme des Antibiotikums könnte ihrer Ansicht nach die Entwicklung von Resistenzen fördern und bei einem zu häufigen Einsatz auch der Gesundheit der Anwender schaden, etwa durch die Beschädigung des Mikrobioms. Auch die Deutsche STI Gesellschaft (DSTIG) steht der STI-Prophylaxe mit Doxycyclin skeptisch gegenüber.
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