Politik

Terrorgefahr: Rahmenkonzept für Retter in Hessen

  • Montag, 3. April 2017
/Jörg Hüttenhoelscher, stockadobecom
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Wiesbaden – Mit einem neuen Konzept will Hessen Sanitäter, Notärzte und Feuerwehr­leu­te besser für gefährliche Einsätze mit bewaffneten Gewalttätern rüsten. Die Retter sollen „im Falle eines terroristischen Angriffs auf die außergewöhnliche Gefahrenlage“ vorbereitet sein, erklärte Innenminister Peter Beuth (CDU). Es geht um Einsatztaktiken und auch darum, dass die Rettungskräfte Anzeichen einer Gewalttat vor Ort erkennen, hieß es auf Anfrage aus dem Innenministerium in Wiesbaden. Gerade am Anfang eines Einsatzes sei das ein Problem.

Bei dem Anschlag mit einem Lkw auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin im Dezember zum Beispiel gingen die Einsatzkräfte, die sich auf den Weg machten, zunächst von einem Un­fall aus. Hier erachten Experten die Kommunikation zwischen Polizei, Leitstelle und den Rettungsfahrzeugen als verbesserungswürdig. Alle Beteiligten müssten da sensibler werden und mit so etwas rechnen, sagte der Präsident des Medizinischen Katastrophen-Hilfswerks in München, Robert Schmitt.

Neue Strategien finden

Ein weiterer Punkt aus dem Erlass: Retter können nach Anschlägen selbst zum Angriffs­ziel werden. Zweitangriffe auf Helfer sind in anderen Ländern als Strategie der Terroris­ten bekannt. Eine spezielle Taktik beim Einsatz soll Gewalttätern solche Angriffe er­schwe­­ren. Was dies konkret bedeutet, dazu machte das Innenministerium keine Anga­ben. Schmitt umreißt exemplarisch die Probleme: Wenn alle Wagen auf einem Haufen stehen, bildeten sie ein leichtes Ziel. Das gelte auch, wenn sie länger am Einsatzort sind. Prak­tisch heißt das: Verletzte schnell abtransportieren und Rettungswagen an verschiedenen Stellen parken. Das Konzept ist ein gemeinsamer Erlass von Innen- und Sozialministe­ri­um. Es gibt jedoch nur Rahmenempfehlungen vor, die in den Kreisen und Städten noch konkretisiert werden müssen.

Vor Ort gebe es unterschiedliche Strukturen, sagte der stellvertretende Leiter der Lan­des­feuerwehrschule in Kassel, Frank Maikranz. Es mache einen großen Unterschied, ob es um die Metropole Frankfurt oder ländliche Regionen gehe. Konkret sollen laut Minis­te­rium örtliche Einsatzpläne zwischen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten erstellt werden.

Stärkere Kooperation von Polizei und Rettungskräften nötig

Diese Vorgaben sollen die Zusammenarbeit von Polizei und Rettungskräften verbes­sern. Als Anlass nennt das Ministerium die „Gewaltlagen in jüngerer Vergangenheit“, bei de­nen eine Gefährdung für Feuerwehr und Rettungsdienst bestand. Gemeint sein dürfte etwa der Amoklauf in München im Juli 2016, als ein 18-Jähriger neun Menschen und sich selbst tötete. Oder die Terroranschläge auf Flughafen und U-Bahn in Brüssel, bei denen vor gut einem Jahr 32 Menschen starben.

Hessen ist nicht das erste Land, dass die Einsatzstrategien der Retter überdenkt. Bayern etwa geht mit seinem Konzept noch weiter: Da sollen Helfer nicht nur in Selbst­schutz und Einsatztaktik geschult werden, sondern auch im Umgang mit typischen Verletzungen, die nach Terroranschlägen zu erwarten sind – etwa durch Explosionen oder Schüsse. Rettungs- und Polizeiwagen haben in Bayern spezielle Aderpressen zum Abbinden star­ker Blutungen an Bord oder werden noch nachgerüstet. Früher kamen diese Abbinde­sys­teme nur beim Militär zum Einsatz. Auch in Hessen stehe die Ausstat­tung der Rettungswagen auf dem Prüfstand, hieß es aus dem Sozialministerium.

Auch die Rettungsdienste des Malteser Hilfsdienstes in Deutschland stellen sich auf mög­­­­­liche Terroranschläge ein. Bei einem Treffen am Wochenende in Paderborn berie­ten die ehrenamtlichen Diözesanärzte und der Bundesapotheker unter der Leitung des Bun­desarztes der Malteser, Rainer Löb, über notwendige Reformen im Rettungsdienst, im Katastrophenschutz und in den Krankenhäusern, wie die Hilfsorganisation mitteilte.

Löb sagte, bei Terroranschlägen seien nicht nur veränderte medizinische Vorgehens­wei­sen notwendig. Ausgesprochen wichtig und manchmal sogar lebensrettend seien auch bessere Abstimmungen zwischen den Sicherheitskräften und der Medizin sowie die um­fassende Vorbereitung der haupt- und ehrenamtlichen Einsatzkräfte. Deshalb würden entsprechende Bedrohungsszenarien erarbeitet und durchgespielt.

Die Diözesanärzte der Malteser stellen die medizinische Versorgung bei kirchlichen Großveranstaltungen in Deutschland. Unter anderem erarbeiten sie rettungsdienstliche und katastrophenmedizinische Trainings- und Einsatzleitfäden sowie Ausbildungsvor­schriften für die Malteser. Hauptberuflich arbeiten sie als Mediziner, vom Hausarzt bis zum Klinikchef.

dpa/kna

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