Vermischtes

Rettungskräfte und Mediziner diskutieren Vorgehen bei Terror

  • Donnerstag, 23. März 2017
Uploaded: 23.03.2017 16:14:55 by maybaum
/dpa

Berlin – Nach dem Terror der vergangenen Monate – zuletzt gestern in London – ist auch Ärzten und Rettungskräften in Deutschland bewusst geworden, dass sie für solche Ka­tas­trophen gewappnet sein müssen. Es geht um Ausbildung, Ausrüstung und Notfall­pläne. Heute schlug der Marburger Bund Alarm: Die medizinische Vorbereitung auf Ter­ror­­attacken sei unzureichend, sagte der 2. Vorsitzende der Ärztegewerkschaft, Andreas Botzlar, der Welt. Aufgrund der hohen Auslastung von Notfallaufnahmen gebe es keine Möglichkeit, Katastrophenpläne regelmäßig zu üben. Zudem drohe bei einer Großlage ein Patientenstau.

Bereits nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember hatte der Malteser Hilfsdienst auf Reformbedarf hingewiesen. „Wir müssen auf solche Ereignisse vorbereitet sein, schon allein, um unsere Helfer körperlich, aber auch mental zu schüt­zen“, sagte der Bereichsleiter Notfallvorsorge, Benedikt Liefländer.

Diskutiert wird etwa die Frage, ob Rettungswagen eine Spezialausrüstung für Terrorsitu­ati­onen brauchen. Die meisten Bundesländer meinen Nein. „Vonseiten der Landesre­gierung Nordrhein-Westfalen gibt es derzeit keine Empfehlungen zum Mitführen speziell­er Ausrüstungsgegenstände zur Versorgung von Opfern von Terroranschlägen“, hieß es im Oktober in Düsseldorf. Schließlich gehe es um die Versorgung von Verlet­zungen, wie sie auch nach Unfällen oder Unglücken in Industrieanlagen auftreten könnten.

Dagegen hatte Berlin seine Rettungswagen schon 2013 mit speziellen blutstillenden Me­dikamenten nachgerüstet. Baden-Württemberg feilt an einem erweiterten Ausrüstungs­konzept. Das bayerische Innenministerium empfiehlt den Rettungsdiensten neuerdings Ausrüstungsgegenstände für Sprengstoffanschläge und Schussverletzungen.

Die Malteser betonen, bislang sei der Rettungsdienst vor allem mit Herzinfarkten oder Schlaganfällen beschäftigt. Bei Terrorangriffen träten aber gehäuft Schussverletzungen, Splitterwunden oder großflächige Weichteilverletzungen mit großem Blutverlust auf, bis hin zum Verlust von Gliedmaßen, so Liefländer. „Darauf muss man psychologisch vor­be­reitet sein, aber auch mit Verbandsmaterial und medizinischem Gerät.“ Laut Marburger Bund haben Ärzte mit solchen Verletzungen eher wenig Erfahrung.

Mehrere medizinische Fachgesellschaften haben zuletzt Konferenzen und Fortbildun­gen veranstaltet, um etwa Chirurgen und Krankenhäuser für die medizinische Versor­gung von Terroropfern zu sensibilisieren. In einer Handreichung betont die Deutsche Gesell­schaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) die Bedeutung sogenann­ter Tour­niquets, die ursprünglich in der Militärmedizin entwickelt wurden, aber zuneh­mend auch im zivilen Rettungsdienst Verwendung fänden. Mit ihnen lassen sich stark blutende Glied­maßen abbinden, wenn ein Kompressionsverband nicht ausreicht oder nicht praktikabel ist. Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie forderte in der Welt eine flächen­de­cken­de Anschaffung von Tourniquets.

Auch das Verhalten der Helfer in Terrorsituationen muss geschult werden: Opfer könnten laut Rettungsdienst-Experte Liefländer verbluten, „weil die medizinische Hilfe erst dann einsetzt, wenn die Täter ausgeschaltet sind. Wenn man das verhindern will, muss gege­benenfalls die medizinische Hilfe früher einsetzen, also noch während die Täter bekämpft werden.“ Dabei müssten sich die Helfer aber klarmachen, dass sie selber bevorzugte Ziele sein könnten: „Schließlich zielen Terroristen heutzutage darauf, maximalen Schrecken zu verbreiten und dementsprechend Schaden anzurichten.“

Die Politik reagiert indes mit Unverständnis auf die Vorstöße. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, verwies in der Welt auf die hohen medizinischen Standards in Deutschland. „Ärzte sind gut ausgestattet und aus­reichend vorhanden, zudem haben wir viele Spezialzentren.“ Chirurgen könnten die meis­ten Verletzungen auch dann behandeln, wenn sie nicht täglich damit konfrontiert seien. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, Kathrin Vogler, warf den Ärzten Panikmache vor. „Hier will eine Berufsgruppe ihr Süppchen auf einer gesell­schaft­­li­chen Stimmungslage kochen“, sagte sie.

kna

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