Tour zur Bundestagswahl: Hebammen wollen gehört werden
Westerland/Kiel – Hohe Haftpflichtprämien, Nachwuchsmangel, fehlende Notfallkonzepte und geschlossene Kreißsäle: Die Hebammen in Deutschland haben mit diversen Problemen zu kämpfen. Um auf ihre Situation und damit auch die der werdenden Mütter aufmerksam zu machen, tourt der Deutsche Hebammenverband wenige Wochen vor der Bundestagswahl durch die Bundesrepublik.
Die Hebammen, die heute Station in Kiel machten, richten mit der Aktion auch einen Appell an die Bundestagskandidaten, in der kommenden Legislaturperiode die Versorgung mit Hebammenhilfe sicherzustellen und die Arbeitssituation von Hebammen zu verbessern.
Beruf muss attraktiver werden
Die Verbandsvorsitzende in Schleswig-Holstein, Anke Bertram, fordert valide Zahlen in der weiteren Diskussion um die Geburtshilfe und die Situation der Hebammen. „Damit wir genau wissen, wo und wie wir gezielt ansetzten müssen“, sagte die Sylter Hebamme. Derzeit wisse niemand genau, wie viele Hebammen arbeiten und vor allem wie: als Beleghebamme oder fest angestellt an einer Klinik; als Geburtshelferin, in der Vor- und Nachbetreuung.
„Dann brauchen wir eine Veränderung der Abrechnungsmodalitäten, damit die Geburtshilfe wirtschaftlich wieder attraktiver wird, um eine wohnortnahe Versorgung zu gewährleisten“, sagte Bertram. „Damit die derzeitige Schließungswelle geburtshilflicher Abteilungen stoppt.“
Geburtshilfe kein Wahlkampfthema
Das Thema Gesundheit im Allgemeinen und vor allem die Geburtshilfe komme im Wahlkampf so gut wie gar nicht vor, sagte Bertram. Es gebe nur wenige Berührungspunkte, der Beruf werde zudem als selbstverständlich erachtet. Bertram warnte allerdings davor: „Wir sind auf dem besten Weg dahin, dass ein Berufsstand mit langer Tradition langsam ausstirbt.“
Noch gebe es zwar ausreichend Hebammen, sagte die Sylterin. Aber die meisten arbeiteten nicht vollumfänglich und meist auch in Teilzeit. Denn die Arbeitbelastung sei sehr groß und die Vergütung schlecht. „Und solange mit einem anderen Job mehr Geld zu verdienen ist, macht man diesen nebenbei.“ Bertram selbst – sie hat 30 Jahre Berufserfahrung und Staatsexamen – hatte ebenfalls einen Zweitjob, weil dieser zusätzlich zu besseren Arbeitsbedingungen besser vergütet war.
Ein weiteres Problem sei die flächendeckende Versorgung mit Geburtshilfeeinrichtungen. „In den letzten Jahren haben viele Kliniken geschlossen und gerade hier oben in Nordfriesland mit der Inselsituation sind die Bedingungen für schwangere Frauen nicht hinnehmbar“, findet die Sylter Hebamme. Das Rettungskonzept funktioniere noch nicht richtig. Speziell für Sylt gebe es zwar einen Hebammenruf. Da es für diesen aber noch kein tragfähiges Konzept gebe, nähmen nur zwei der vier Hebammen teil. „Die decken das natürlich nicht zu hundert Prozent ab.“ Auch viele weitere Dinge seien nicht geregelt. So gebe es in Ostholstein nicht einmal ein Notfallkonzept.
Bertram warnte zudem vor einem ungelösten Problem, das zu weiteren Schließungen von Belegkliniken und damit zu noch längeren Wegen für werdende Mütter führen kann. Der GKV-Spitzenverband will den Hebammen zufolge mit Strukturveränderungen durchsetzen, dass Beleghebammen künftig nur noch eine, maximal zwei Frauen zur Geburt betreuen dürfen. „Das ist ja eigentlich auch sinnvoll“, sagte Bertram. Allerdings sähen die Rahmenbedingungen der GKV vor, dass eine Hebamme eine dritte Frau am Kreißsaal entweder abweisen, kostenfrei behandeln oder ihr eine Privatrechnung schicken muss. „Und das kann es auch nicht sein.“
Wenn dies durchkomme, müssten in der Konsequenz viele Beleghäuser schließen, sagte Bertram. Dies sei zwar vor allem in Bayern ein Problem, aber auch in Schleswig-Holstein arbeiteten Kliniken wie das Städtische Krankenhaus in Kiel im Beleghebammensystem.
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