Tumore am Gleichgewichtsnerv: Stereotaktische Radiochirurgie bietet Vorteile gegenüber OP

Köln – Bei gutartigen Tumoren am Gleichgewichtsnerv (Vestibularisschwannome) bietet die gezielte stereotaktische Bestrahlung für die Patienten Vorteile gegenüber der mikrochirurgischen Resektion. Zu diesem Fazit gelangt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) nach einer Nutzenbewertung.
Vestibularisschwannome sind gutartige, meist langsam wachsende Tumore, die vom Gleichgewichtsnerv (Nervus vestibularis) ausgehen und meist ab einem Alter von etwa 50 Jahren einseitig auftreten.
Die Folge sind häufig Hörverlust, Tinnitus, Schwindelgefühle und Gesichtslähmungen. Für die Therapieentscheidung spielen vor allem Größe, Lage und Wachstum des Tumors eine Rolle sowie die Krankengeschichte und die Patientenpräferenz.
Insbesondere bei kleinen, nicht wachsenden Tumoren, die noch keine Symptome hervorrufen, ist beobachtendes Abwarten möglich, erfordert laut dem IQWiG aber eine regelmäßige Magnetresonanztomografie etwa alle zwölf Monate. „Bei deutlichen Beschwerden oder größeren Tumoren wird meist operiert“, schreiben die Wissenschaftler des Instituts.
Eine Bestrahlung kommt bei älteren Patienten mit behandlungsbedürftigem Vestibularisschwannom und bei erhöhtem Operationsrisiko in Frage: Das Tumorgewebe im Kopf wird bei der stereotaktischen Radiochirurgie einmalig hoch dosiert und präzise mithilfe von Linearbeschleunigern oder Kobalt-60-Gamma-Strahlungsquellen bestrahlt. Dies erfolgt meist ambulant.
Das IQWiG konnte Ergebnisse aus insgesamt drei nicht randomisierten prospektiven vergleichenden Studien mit einer Nachbeobachtungszeit von etwa zwei Jahren auswerten. Danach ist das Risiko, eine Gesichtslähmung zu erleiden, bei einer stereotaktischen Behandlung etwa 17-mal geringer als bei einer mikrochirurgischen Resektion. Ebenfalls große Effekte zeigten sich für den Endpunkt Hörvermögen.
Die Chance, das funktionelle Hörvermögen zu erhalten, war bei einer radiochirurgischen Behandlung etwa 23-mal höher als bei einer mikrochirurgischen Resektion. Die mittlere Krankenhausverweildauer bei einer Bestrahlung betrug in den Studien 2,5 Tage und erfolgte ohne Klinikaufenthalt. Im Vergleich dazu war mit einer mikrochirurgischen Resektion stets ein Klinikaufenthalt von 5,1 bis 12,5 Tagen verbunden.
Für Therapieziele wie Sterblichkeit, Symptome wie Schwindelgefühl, Kopfschmerzen, Tinnitus, Gleichgewichtsstörungen oder Krankheitsfolgen sowie Nebenwirkungen sowie gesundheitsbezogene Lebensqualität zeigten sich keine Vorteile der Bestrahlung im Vergleich zur mikrochirurgischen Resektion.
„Aus der Nutzen-Schaden-Abwägung der vorliegenden Studienergebnisse ergibt sich insgesamt ein Anhaltspunkt für einen höheren Nutzen der stereotaktischen Radiochirurgie bei Patientinnen und Patienten mit behandlungsbedürftigen Vestibularisschwannomen im Vergleich zur mikrochirurgischen Resektion“, lautet das Fazit des IQWiG.
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