Übertragbare Krankheiten: RKI soll bis 2021 elektronisches Meldesystem einführen

Berlin – Mit einer erweiterten Meldepflicht will die Bundesregierung den Schutz vor übertragbaren Krankheiten verbessern. Hauptakteur wird dabei das Robert-Koch-Institut (RKI) sein, das den Auftrag erhalten hat, das Deutsche Elektronische Meldesystem für den Infektionsschutz (DEMIS) bis spätestens 2021 einzurichten. Übertragbare Krankheiten sollen damit vor allem schneller bekämpft werden. So sieht es der Gesetzesentwurf vor, der gestern im Gesundheitsausschuss des Bundestages in einer öffentlichen Sitzung diskutiert wurde. Der Entwurf soll nach Zustimmung des Bundesrates bis Sommer 2017 in Kraft treten.
Die Forderung nach einem elektronischen Meldesystem befürworteten alle anwesenden Sachverständigen. Bei der technischen Umsetzung, dem Personalaufwand und der Liste der meldepflichtigen Erreger gab es jedoch Einspruch.
Im Jahr 2015 haben Ärzte und Labore etwa 500.000 Fälle von meldepflichtigen Infektionskrankheiten an das RKI übermittelt sowie cirka 15.000 Erregernachweise direkt an das RKI gemeldet. „Die große Zahl von Meldungen macht eine elektronische Lösung erforderlich“, sagte Anne Bunte, Leiterin des Gesundheitsamtes der Stadt Köln und kritisiert im gleichen Atemzug: Gesundheitsämter seien bei der Planung des Programms komplett außen vor und wüssten nicht, was auf sie zukommt.
Von DEMIS erhofft sie sich einen schnelleren Informationstransfer und einen geringeren händischen Aufwand. Der Entlastung bei der Datenermittlung stünde jedoch ein höherer Aufwand bei der Verarbeitung von mehr Datensätzen gegenüber, ist sich Gudrun Widders vom Gesundheitsamt in Berlin sicher. „Der Gesetzesentwurf bedeutet für Gesundheitsämter daher eine Mehrbelastung.“
In dem Datenpool an gemeldeten Krankheiten müsse sichergestellt werden, dass es sich tatsächlich um den gemeldeten Erreger handle, sagte Bunte. Das gelte vor allem für klinische, weniger für Labormeldungen. Erst kürzlich hatte sie den Fall, dass sich eine Reihe von Windpocken-Meldungen von Fachärzten als Enteroviren entpuppte. Problematisch sei zudem, wenn persönliche Kontakte und Besuche bei Einrichtungen eingeschränkt würden oder ganz wegfielen. Bunte betonte, es gehe nicht nur darum, Daten zu generieren, sondern Sachverhalte richtig einzuschätzen. Auch Widders beklagte, die praktischen Erfordernisse würden zu wenig berücksichtigt.
Technische Lösung
Für die Anwender sieht der Gesetzesentwurf mindestens eine kostenlose Praxissoftware oder eine kostenlose Webportal-basierte Lösung vor. Dieses Angebot begrüße die Bundesärztekammer (BÄK), teilte der Hauptgeschäftsführer Tobias Nowoczyn mit. Wartungskosten dürften dabei aber nicht von den Meldeverpflichteten getragen werden. Hingegen lehnt der Bundesverband Deutscher Laborärzte (BDL) eine webbasierte oder Softwarelösung ab, da sie eine „massive Verschlechterung“ gegenüber dem jetzigen Status bedeuten würde. Sie verträten die Berufsgruppe, die zukünftig die meisten Meldungen absetzen müssten, sagte der Sachverständige der BDL. „Wir fordern eine automatisierte Weiterleitung an die Gesundheitsämter über eine standardisierte Schnittstelle, die gesetzlich vorgegeben ist.“ Für verbindliche Schnittstellen sprach sich auch Bunte aus.
Zunächst würde das elektronische Meldesystem einen erheblichen Mehraufwand bedeuten, ist sich Jörg Freese von der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände sicher. Auch auf lange Sicht nimmt er den Abgeordneten der Parteien die Hoffnung, dass mit DEMIS Geld eingespart werden könne (siehe Kasten). Dafür werde die Datenqualität besser. Dieter Auch aus dem Honorardezernat der Kassenärztlichen Bundesvereinigung schloss sich dieser Einschätzung an.
Auch bei der geplanten Meldepflicht von Skabies (Krätze) waren sich die Sachverständigen uneins. Die Leiterin des Gesundheitsamtes der Stadt Köln befürwortet die Meldepflicht von Skabiesausbrüchen in Einrichtungen der Altenpflege, in Gemeinschaftsunterkünften für Obdachlose, Geflüchtete und Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Denn es gehe darum, bei der schwer zu erkennende Krankheit rechtzeitig zu beraten und eine Ausbreitung zu verhindern. Die BÄK sieht den Bedarf in erster Linie bei Wohnungslosen und Gemeinschaftsunterkünften. „In der Altenpflege sehen wir ein eher geringes Verbreitungsrisiko von Skabies und würden daher von einer Meldepflicht abraten“, sagte Nowoczyn .
Welche Erreger gemeldet werden müssen, ist § 6 des IfSG zu entnehmen. Freese empfiehlt, die Liste der zu meldenden Erreger flexibel zu handhaben. Sie soll nicht als definitiver Bestandlteil im Gesetz aufgeführt werden, sodass man sich im Bedarf schneller an aktuelle Gegebenheiten anpassen könne. Diesem Vorschlag schloss sich auch die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie an.
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