Politik

UN-Drogen­kontrollrat: Cannabisfreigabe widerspricht UN-Übereinkommen

  • Dienstag, 5. März 2024
/picture alliance, Fabian Sommer
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Wien – Der UN-Drogenkontrollrat (INCB) hat die deutsche Regierung auf eine Unvereinbarkeit zwischen der geplanten Legalisierung von Cannabis und bestehenden internationalen Regelungen hingewiesen.

Das Gremium habe aufgezeigt, dass der Gebrauch von Cannabis laut UN-Drogenübereinkommen von 1961 ausschließlich für medizinische und wissenschaftliche Zwecke erlaubt werden darf, hieß es heute im Jahres­bericht des INCB.

Ein weiteres UN-Übereinkommen von 1988 schreibe vor, dass Anbau, Herstellung und Weitergabe der Droge für andere Zwecke gesetzlich verboten sein müssten.

Das Bundesgesundheitsministerium erklärte auf Anfrage in Berlin, das Cannabisgesetz sei intensiv mit den Verfassungsressorts in der Regierung abgestimmt worden. „Dazu war und ist die Bundesregierung auch im Austausch mit dem UN-Drogenkontrollrat“, sagte ein Sprecher. Das Gesetz regele den Eigenanbau zum Eigen­konsum. „Nach Auffassung der Bundesregierung ist das mit internationalem Recht vereinbar.“

Der in Wien ansässige INCB besteht aus 13 Fachleuten. Sie überwachen die Einhaltung der globalen Drogen­übereinkommen, zu denen sich auch Deutschland verpflichtet hat. Angesichts des internationalen Trends zur Legalisierung von Cannabis beharrt das Gremium darauf, dass die Cannabisfreigabe völkerrechtlich nicht möglich ist.

Gleichzeitig haben die Fachleute jedoch betont, dass Länder den Besitz und Konsum entkriminalisieren können, indem sie etwa auf Hilfe, Aufklärung und soziale Reintegration statt auf Verurteilungen und Strafen setzen.

Nach dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz sollen Besitz und Anbau von Cannabis mit zahlreichen Vorgaben für Volljährige zum Eigenkonsum legal werden. Das Gesetz kommt am 22. März abschließend in den Bundesrat. Zustimmungsbedürftig ist es nicht, aber die Länderkammer könnte den Vermittlungsausschuss anrufen und das Verfahren abbremsen.

Neben der Kritik von Medizinverbänden, Rechtsexperten und Innenpolitikern sind auch aus den Ländern Einwände laut geworden, dass die Legalisierung und die verbundenen Umstellungen schon zum 1. April greifen sollen. Zuletzt hatten CDU und CSU argumentiert, dass Deutschland mit der Legalisierung gegen das Völker- und das Europarecht verstoße.

Erst gestern hatten die Vorsitzen­den der CDU/CSU-Fraktionen in den Landtagen, des Bundestages und der CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Frak­tion im Europäischen Parlamentin einem Beschluss darauf hingewiesen, dass das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis aus ihrer Sicht gegen das Völkerrecht und europäisches Recht verstößt. Sie mahnten die Länder an, im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anzurufen, um das Gesetz zu stoppen.

Aus Sachsen kam heute zumindest das Signal, dass man die geplante kontrollierte Freigabe von Cannabis über den Bundesrat aufschieben wolle. Dazu soll morgen ein Antrag in den Gesundheitsausschuss einge­bracht werden, sagte Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) heute nach einer auswärtigen Kabinetts­sitzung in Auerbach (Vogtlandkreis).

„Cannabis ist und bleibt eine gefährliche Droge“, sagte sie. Das gelte besonders mit Blick auf Kinder und Jugendliche. Daher müsse noch einmal über die erlaubte Menge nachgedacht werden ebenso wie über die Abstände zu Kinder- und Jugendeinrichtungen.

Auch brauche es einen längeren Zeitraum zur Vorbereitung auf die geplante Teillegalisierung, damit mehr Beratungsangebote aufgebaut werden könnten. Die Zeit bis zum 1. April sei dafür zu kurz. Aus ihrer Sicht sollte die Freigabe nicht mehr in diesem Jahr erfol­gen, sagte Köpping. Das generelle Ziel einer Entkrimina­lisierung des Cannabiskonsum trage sie aber mit.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann fordert ebenfalls eine Verschiebung. Nachdem der Bundestag die Freigabe beschlossen hatte, gibt es vor allem von Seiten der CDU und CSU heftige Kritik.

Grünen-Politiker Kretschmann sprach sich klar für eine Legalisierung von Cannabis aus, übt allerdings Kri­tik: „Weil dieses Gesetz in vielen Fragen in dieser Zeit schwer oder gar nicht umsetzbar ist“, sagte Kretsch­mann. Unter anderem seien die Polizeikontrollen nicht so schnell umsetzbar, so Kretschmann. Daher befinde sich das Gesetz noch im „Verhandlungsstadium“.

Kretschmann betonte, dass mit dem Gesetz der Cannabis-Konsum eingedämmt werden solle. Alles, was über die Gefahren von Cannabis gesagt werde, teile er vollumfänglich, sagte der Regierungschef. Der jetzige Zu­stand sei unerträglich. Die Legalisierung habe den Sinn, den Schwarzmarkt „trocken zu legen“, damit Dealer nicht junge Leute süchtig machten. Aber ob dieses Gesetz das erfülle, daran gebe es Kritik und Zweifel.

dpa/may

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