Ärzteschaft

Verhandlungen über TI-Pauschale gescheitert

  • Donnerstag, 6. April 2023
/Gorodenkoff, stock.adobe.com
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Berlin – Die Verhandlungen über die neue Kostenerstattung für die Komponenten und Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) sind gescheitert. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat sich deshalb an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gewandt. Die Finanzierung müsse sicherstellen, dass die Arztpraxen auf keinen Fall weiter belastet werden, erklärte die KBV heute.

KBV und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) konnten sich trotz intensiver Verhandlungsinitiati­ven nicht mit dem GKV-Spitzenverband auf eine gemeinsam getragene Lösung für die Finanzierung der TI einigen.

Eigentlich hätten sie bis 30. April eine Vereinbarung über Höhe und Art der Berechnung der neuen Pauschale verhandeln sollen. Denn das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) sieht vor, dass vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Praxen ab dem 1. Juli 2023 eine monatliche Pauschale für die Ausstattung und den Betrieb der TI erhalten.

„Die Verhandlungen sind mit Ansage gescheitert“, erklärte der stellvertretende KZBV-Vorstandsvorsitzende Karl-Georg Pochhammer. Seine Kritik richtet sich aber nicht nur an den Gegenpart – den GKV-Spitzenverband –, sondern auch an das Bundesgesundheitsministerium (BMG).

Das habe nämlich mit dem erklärten Ziel, die Kosten zu senken, und der Option, die Vereinbarung im nun eingetretenen Fall selbst vorzugeben, von vornherein kaum Platz für Verhandlungen gelassen. „Die Verhand­lungen waren nur ein politisches Feigenblatt“, sagte Pochhammer.

Die Krankenkassen hätten einen Vorschlag eingebracht, der eine weitere Kostenbelastung der Praxen mit sich gebracht hätte. „Schon die aktuellen Pauschalen sind zu knapp bemessen und führen in vielen Fällen dazu, dass Praxen auf Kosten sitzen bleiben. Eine Deckelung der Pauschalen wie von den Krankenkassen ange­strebt, würde diesen Effekt noch einmal verschärfen“, unterstrich er.

Die KBV-Vorstände Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner betonten das auch in einem Brief an den Minister, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. „Einseitige kostenseitige Belastungen der Praxen sind das Gegenteil von dem, was benötigt wird, um die für das Fortschreiten der Digitalisierung notwendigen materiellen Voraussetzungen schaffen“, schreiben sie darin.

Bereits das elektronische Rezept und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hätten zu Belastun­gen der Praxisabläufe und der Versorgung geführt „und somit die Wahrnehmung der Telematikinfrastruktur und ihrer Anwendungen erheblich beschädigt“. Deshalb bedürfe es „eindeutiger und klarer Regelungen“, die sicherstellen, dass die finanziellen Mehrbelastungen vollständig ausgeglichen werden.

Die KBV warnt davor, kurzsichtig auch das Restvertrauen der Niedergelassenen zu verspielen. Die niedergelas­senen Kolleginnen und Kollegen würden der Digitalisierung offen gegenüberstehen, weil sie sich davon Ar­beitserleichterungen versprechen, sagte Steiner. Im Sinne der Akzeptanz sei es aber „unabdingbar, dass nicht nur technisch, sondern auch finanziell Lösungen geschaffen werden, die für niedergelassene Ärzte und Psycho­therapeuten tragbar sind“.

Auch in die Industrie setzen KBV und KZBV kein Vertrauen. Ihre Vorstände zeigen sich zutiefst skeptisch, dass sich die Anbieter bei ihrer Preisbildung an von der Selbstverwaltung vereinbarte Pauschalen halten.

„Wir teilen die Erwartungen nicht, dass nach der durch die vom Gesetzgeber vorgesehene Umstellung der Pauschalen der TI-Finanzierungsvereinbarung und der damit verbundenen Deckelung der Erstattungsbeträge die Preise am Markt für die Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sinken werden“, schreiben die KBV-Vorstände an den Minister. „Dass Anbieter von IT-Systemen im Gesundheitswesen aufgrund von pauschalen Kostenerstattungsgrenzen ihre Preise auf die Erstattungsbeträge absenken, ist realistisch nicht zu erwarten.“

Diese Sicht teilt auch Pochhammer und erklärt: „Die Pläne werden nicht funktionieren, weil der Markt im Bereich der TI-Anwendungen nicht funktioniert.“ Anstatt die Industrie in die Pflicht zu nehmen, sollten nun aber die Praxen zur Kasse gebeten werden, indem sie noch weniger Geld für die Ausstattung und den Betrieb der TI erhalten sollen.“

KBV-Vorstandsmitglied Sibylle Steiner kritisiert vor allem die Schwierigkeiten, die der sogenannte Lock-In-Effekt vielen Praxen beschere. Für die niedergelassenen Kollegen sei es fast unmöglich, das ohne großen Aufwand zu tun. Sie seien dem Anbieter „mehr oder minder auf Gedeih und Verderb ausgeliefert“, sagte sie.

Deshalb würden Erstattungsbeträge unterhalb der Marktpreise auch zu „nicht tragbaren einseitigen Belastun­gen der Praxen führen, die ihre Honorare für die Patientinnen und Patienten benötigen und keine finanziellen Spielräume haben, Preisvorstellungen von Anbietern von IT-Systemen nachzukommen“, schreiben die KBV-Vorstände.

lau

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