Versorgung von Schmerzpatienten verschlechtert sich
Frankfurt am Main – Die Deutsche Schmerzgesellschaft warnt, dass sich die Versorgung von Schmerzpatienten durch die Coronapandemie verschlechtert hat. „Notwendige Therapien finden seit mehr als zwei Monaten nicht statt“, sagte die Präsidentin der Deutschen Schmerzgesellschaft, Claudia Sommer, heute anlässlich des neunten bundesweiten Aktionstages gegen den Schmerz.
Die Gesellschaft fordert deshalb Sofortmaßnahmen wie verstärkte Beratungsangebote via Telefon- und Videosprechstunde sowie Ausnahmeregelungen für gruppentherapeutische Angebote. Durch die Pandemie sei der Zugang zur Schmerztherapie derzeit noch schwieriger als sonst.
Schon vor der Coronakrise seien Schmerzpatienten unterversorgt gewesen, betonte die Vorsitzende der Patientenorganisation SchmerzLOS, Heike Norda. Oft müssten Patienten mehrere Monate auf eine Schmerztherapie warten, was die Chronifizierungsgefahr nach oben treibe.
Viele Kliniken hätten in den vergangenen Monaten die Versorgung von Schmerzpatienten heruntergefahren, berichtete Sommer. Kontakteinschränkungen und die Angst vor Ansteckung führen außerdem dazu, dass viele Betroffene Termine beim Arzt oder Physiotherapeuten nicht wahrnehmen. Zusätzlich wurden Reha-Sportangebote eingestellt oder reduziert, Selbsthilfegruppen dürfen keine Präsenztreffen veranstalten.
Sommer warnte deshalb, dass Schmerzpatienten kein Kollateralschaden der COVID-19-Bekämpfung sein dürften. „Schmerzbehandlung ist ein Patientenrecht“, betonte sie. „Die Schmerzbehandlung in den Kliniken muss wieder hochgefahren werden.“
Rund 22 Millionen Menschen in Deutschland leiden nach Angaben von Sommer an chronischen Schmerzen. Sechs Millionen seien in ihrem Alltag durch die Schmerzen beeinträchtigt. Norda wies darauf hin, dass die Folgen von Schmerzen nicht nur physischer und psychischer Natur seien. Auch soziale Konsequenzen seien möglich, etwa die soziale Ausgrenzung durch Fehltage auf der Arbeit.
„Auch und gerade in Krisenzeiten dürfen wir Schmerzpatienten nicht vernachlässigen“, sagte Sommer. „Es ist jetzt an der Zeit, neue Wege zu entwickeln, denn es wird nicht das einzige Mal bleiben, dass wir uns einer solchen Situation befinden.“
Telefon- und Videosprechstunden statt Präsenztermine
Norda schlug angesichts der vielen abgesagten und verschobenen Schmerztherapien unter anderem vor, Angebote von Telefon- und Videosprechstunden für betroffene Schmerzpatienten zu verstärken.
„Wir fordern zudem, eine befristete Ausnahmegenehmigung für die ambulante, stationäre und teilstationäre Behandlung von Menschen mit chronischen Schmerzen oberhalb der genehmigten Fallzahl.“ Zu der laut Norda geringen Zahl an Schmerzmedizinern in Deutschland komme, dass sie nur die Behandlung von maximal 300 Schmerzpatienten pro Quartal abrechnen dürften.
Der Erfolg einer Schmerzbehandlung hänge ganz wesentlich von der Kompetenz der Pflegenden ab, sagte Ruth Boche Sprecherin der Fachgruppe Pflegeexpert/innen Schmerz im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe. Die Erfahrungen in der Pandemie sollten deshalb in umfassendere Konzepte zur Verbesserung der Behandlungssituation von Schmerzpatienten einfließen.
Die Pflegeexpertin forderte, dass das Thema Tele-Nursing – also Videokonferenzen zwischen Schmerzpatient und Pflegenden – auf die Agenda Telemedizin gesetzt wird, dass die Akademisierung spezialisierter pflegerischer Experten mit Hochschulabschluss vorangetrieben wird.
Darüber hinaus sollten die Grenzen zwischen den Sektoren im Gesundheitssystem vor allem im Hinblick auf die Versorgungskontinuität von Schmerzpatienten im ambulanten und stationären Bereich abgebaut werden.
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