Ärzteschaft

Schmerzmedizin: Versorgung älterer Patienten weiter vernachlässigt

  • Mittwoch, 22. Juli 2020
/Syda Productions, stockadobecom
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Bonn – Die schmerztherapeutische Versorgung in Deutschland ist nach wie vor unzurei­chend. Beson­ders pre­kär ist die Lage für ältere Patienten. Das wurde gestern bei einer Pressekonferenz zum Auftakt des bis Sams­tag dau­ernden Schmerz- und Palliativtags deutlich. Der Kon­gress widmet sich in diesem Jahr der Versorgung älterer multimorbider Schmerzpatien­ten.

In Deutschland litten aktuell 3,4 Millionen Menschen an schwersten chronischen Schmer­zen, sagte Kongresspräsident Johannes Horlemann. Dem stünden nur rund 1.200 ambu­lant tätige Schmerzmediziner gegenüber. Für eine flächendeckende Versorgung wären mindestens 10.000 nötig, erläuterte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerz­­medizin.

Er betonte, um bestehende Versorgungsengpässe zu überwinden, seien eine vermehr­te Aus- und Weiterbildung von Schmerzmedizinern und Therapeuten sowie Rahmenbe­din­gun­gen und Bedarfspläne zur Stärkung der Schmerzmedizin notwendig.

Zwar habe sich in der medizinischen Ausbildung einiges getan, dem Thema Schmerz werde mehr Raum gegeben. Die jungen Ärzte seien aber immer noch weit von einem Schmerz­therapeuten entfernt. Horlemann wies darauf hin, dass der Schmerztherapeut nur eine Zusatzbezeichnung sei, dieser aber eigentlich eine eigene Fachdisziplin bilden sollte.

Nach Einschätzung des Schmerzmediziners und Vizepräsidenten der Deutschen Gesell­schaft für Schmerzmedizin, Thomas Cegla, wird die Zahl der chroni­schen Schmerzpatien­ten in Deutschland weiter ansteigen.

Das liege zum einen daran, dass Schmerzerkrankungen wie chronische Rückenschmerzen aufgrund der modernen Lebensweise zunähmen. Zum anderen wachse der Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung. Sie hätten ein höheres Risiko für Schmerzerkrankungen.

Da ältere Schmerzpatienten häufig auch unter weiteren Erkrankungen litten und eine Rei­he von Medikamenten einnähmen, sei bei diesen Patienten das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen erhöht, so Cegla. „Im Durchschnitt nehmen Menschen im Alter von 80 Jahren acht Präparate ein.“ Notwendig sei deshalb eine stärkere Zusammenarbeit von Ärzten, Therapeuten, Apothe­kern und Pflegekräften.

Auch in der Forschung gebe es viele offene Fragen. In Leitlinien und Studien werde die ältere Patientengruppe aktuell zu wenig berücksichtigt. Darüber hinaus benötigten ältere Patienten eine besondere Diagnostik. „Wir müssen uns Zeit nehmen für diese Patienten, denn ältere Menschen sind vergleichsweise langsamer in ihren Bewegungen, in der Spra­che und der Auffassung von Informationen“, sagte Cegla.

Nach Ansicht von Cegla hat sich die Situation von Schmerzpatienten während der Coro­na­krise nicht verbessert. Während des Lockdown hätten alte Schmerzpatienten aus Furcht vor dem Virus vielfach Angst gehabt, ihre Schmerztherapeuten aufzusuchen.

Vielerorts seien darüber hinaus therapeutische Einrichtungen wie Physiotherapiepraxen geschlossen gewesen. „Durch diese Therapieun­terbrechungen müssen wir bei vielen alten Schmerzpatienten wieder von vorn anfangen,“ so Cegla.

ram/kna

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