Schmerzmedizin: Versorgung älterer Patienten weiter vernachlässigt

Bonn – Die schmerztherapeutische Versorgung in Deutschland ist nach wie vor unzureichend. Besonders prekär ist die Lage für ältere Patienten. Das wurde gestern bei einer Pressekonferenz zum Auftakt des bis Samstag dauernden Schmerz- und Palliativtags deutlich. Der Kongress widmet sich in diesem Jahr der Versorgung älterer multimorbider Schmerzpatienten.
In Deutschland litten aktuell 3,4 Millionen Menschen an schwersten chronischen Schmerzen, sagte Kongresspräsident Johannes Horlemann. Dem stünden nur rund 1.200 ambulant tätige Schmerzmediziner gegenüber. Für eine flächendeckende Versorgung wären mindestens 10.000 nötig, erläuterte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin.
Er betonte, um bestehende Versorgungsengpässe zu überwinden, seien eine vermehrte Aus- und Weiterbildung von Schmerzmedizinern und Therapeuten sowie Rahmenbedingungen und Bedarfspläne zur Stärkung der Schmerzmedizin notwendig.
Zwar habe sich in der medizinischen Ausbildung einiges getan, dem Thema Schmerz werde mehr Raum gegeben. Die jungen Ärzte seien aber immer noch weit von einem Schmerztherapeuten entfernt. Horlemann wies darauf hin, dass der Schmerztherapeut nur eine Zusatzbezeichnung sei, dieser aber eigentlich eine eigene Fachdisziplin bilden sollte.
Nach Einschätzung des Schmerzmediziners und Vizepräsidenten der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin, Thomas Cegla, wird die Zahl der chronischen Schmerzpatienten in Deutschland weiter ansteigen.
Das liege zum einen daran, dass Schmerzerkrankungen wie chronische Rückenschmerzen aufgrund der modernen Lebensweise zunähmen. Zum anderen wachse der Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung. Sie hätten ein höheres Risiko für Schmerzerkrankungen.
Da ältere Schmerzpatienten häufig auch unter weiteren Erkrankungen litten und eine Reihe von Medikamenten einnähmen, sei bei diesen Patienten das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen erhöht, so Cegla. „Im Durchschnitt nehmen Menschen im Alter von 80 Jahren acht Präparate ein.“ Notwendig sei deshalb eine stärkere Zusammenarbeit von Ärzten, Therapeuten, Apothekern und Pflegekräften.
Auch in der Forschung gebe es viele offene Fragen. In Leitlinien und Studien werde die ältere Patientengruppe aktuell zu wenig berücksichtigt. Darüber hinaus benötigten ältere Patienten eine besondere Diagnostik. „Wir müssen uns Zeit nehmen für diese Patienten, denn ältere Menschen sind vergleichsweise langsamer in ihren Bewegungen, in der Sprache und der Auffassung von Informationen“, sagte Cegla.
Nach Ansicht von Cegla hat sich die Situation von Schmerzpatienten während der Coronakrise nicht verbessert. Während des Lockdown hätten alte Schmerzpatienten aus Furcht vor dem Virus vielfach Angst gehabt, ihre Schmerztherapeuten aufzusuchen.
Vielerorts seien darüber hinaus therapeutische Einrichtungen wie Physiotherapiepraxen geschlossen gewesen. „Durch diese Therapieunterbrechungen müssen wir bei vielen alten Schmerzpatienten wieder von vorn anfangen,“ so Cegla.
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