Vertragsärzte erteilen Forderungen nach Nullrunde in Honorarverhandlungen klare Absage

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat Forderungen nach einer Nullrunde, wie etwa von der Techniker Krankenkasse, im Vorfeld der Finanzierungsverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband, die am kommenden Dienstag beginnen, eine „klare Absage“ erteilt.
„Wer den Menschen im Land eine gute medizinische Versorgung bieten will, muss die Praxen stärken“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen in einem KBV-Newsletter. Er verwies auf die steigenden Kosten insbesondere für das Personal sowie die hohe Inflation in den vergangenen Jahren.
Im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen hätten die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten bisher keinen Inflationsausgleich erhalten, was zu realen Einkommensverlusten geführt habe. Die Oberarztgehälter in den Krankenhäusern seien im vorigen Jahr im Schnitt um 6,2 Prozent angehoben worden, fuhr er fort und sagte: „Diese Steigerung muss in die Festlegung des Orientierungswertes für 2026 einfließen.“
Kräftig gestiegen sind außerdem die Kosten für nicht ärztliches Personal, wie Gassen hervorhob. Auch dafür brauche es einen finanziellen Ausgleich. Medizinische Fachangestellte (MFA) müssten adäquat bezahlt werden können – auch um auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu sein. Schon heute fänden viele kein ausreichend qualifiziertes Personal mehr und müssten deshalb zum Beispiel ihre Sprechzeiten reduzieren.
Aus Sicht von Gassen ist es positiv zu bewerten, dass für die Berechnung des Orientierungswertes (OW) die aktuellen Tarifsteigerungen für die MFA herangezogen werden dürfen. Bei allen anderen Kosten werde jeweils die Entwicklung der Vorjahre betrachtet.
Der Virchowbund hatte vor einigen Tagen eine Steigerung des Orientierungwertes von mindestens sieben Prozent angemahnt. „Hausarzt- und Facharztpraxen zählen zur kritischen Infrastruktur. Wer auch 2040 noch niedergelassene Ärzte haben möchte, muss für die Praxen eine nachhaltige Finanzierung bereitstellen“, sagte Dirk Heinrich, der Bundesvorsitzende des Virchowbundes.
Dieselbe Höhe forderten heute auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband sowie der Berufsverband der Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte (BVKJ) ein. „Wer gute Versorgung will, muss auch die wirtschaftlichen Realitäten anerkennen: Unsere Einnahmen halten längst nicht mehr Schritt mit den explodierenden Kosten“, begründen die Verbände ihre Forderung zum Start der Honorarverhandlungen.
Haus- und Kinderärzte verwiesen auf Analysen des Statistischen Bundesamtes. Danach sei der Reinertrag in Hausarztpraxen von 2022 auf 2023 um fast sechs Prozent gesunken. Ursache seien neben wachsenden Aufwendungen für Miete und Nebenkosten vor allem die stark gestiegenen Personalkosten. Diese sind den Verbänden zufolge in den Jahren von 2019 bis 2022 um fast 25 Prozent gestiegen.
„Eine Praxis zu führen, kostet Geld. Unsere Teams verdienen es, anständig bezahlt zu werden. Wenn unsere Vergütung da nicht mitzieht, wird es immer unattraktiver, eine Praxis zu gründen oder zu übernehmen“, erklärten die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier.
Die Steigerung des Orientierungswertes sei wichtig, um die jährlichen Entwicklungen der Investitions- und Betriebskosten fair abzubilden. „Davon kann allerdings schon seit Jahren nicht mehr die Rede sein“, so die beiden Verbandsvorsitzenden.
„Wenn die Kassen meinen, weiterhin die Existenzgrundlage der Arztpraxen sukzessive zerstören zu können, oder gar mit Nullrunden drohen, werden die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen mit den Füßen abstimmen und sich aus der Patientenversorgung verabschieden“, ergänzte BVKJ-Präsident Michael Hubmann.
Gassen drückte heute allerdings die Erwartungen. Der Verhandlungsspielraum sei gering, unterstrich er. Denn anders als bei Tarifverhandlungen sei gesetzlich vorgeben, welche Faktoren für die OW-Anpassung zu berücksichtigen seien. Er erwartet angesichts der angespannten Finanzlage in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) harte, aber faire Verhandlungen.
Der Orientierungswert ist der Ausgangswert für die Festsetzung der regionalen Punktwerte. Die endgültigen Punktwerte können also regional variieren. Der aktuelle Orientierungswert für das laufende Jahr 2025 beträgt 12,3934 Cent.
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