Videosprechstunden in größerem Umfang möglich

Berlin – Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband haben sich auf einen Ausbau der Videosprechstunden verständigt. Umgesetzt wird damit eine Vorgabe aus dem Digital-Gesetz.
Rückwirkend zum 1. Januar entfällt damit nun die patientenübergreifende Begrenzung der Leistungen im Videokontakt. Damit könnten Ärzte und Psychotherapeuten einzelne Leistungen häufiger oder sogar komplett in der Videosprechstunde anbieten, betonte die KBV. Bislang lag die Obergrenze bei 30 Prozent.
Seit dem 1. April können Ärzte und Psychotherapeuten zudem mehr bekannte Patienten ausschließlich in der Videosprechstunde versorgen. Möglich sind jetzt bis zu 50 Prozent statt maximal 30 Prozent aller Behandlungsfälle.
Als „bekannt“ gilt in diesem Zusammenhang, wer in mindestens einem der drei Vorquartale einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt hatte. Bei unbekannten Patienten bleibt es bei 30 Prozent. Allerdings bezieht sich die Obergrenze nicht mehr auf alle Behandlungsfälle, sondern nur auf die Behandlungsfälle mit unbekannten Patienten, erläuterte die KBV.
Neu für beide Patientengruppen ist, dass die Obergrenze für die Behandlungsfälle nicht mehr personenbezogen je Vertragsarzt oder Vertragspsychotherapeut angewendet wird, sondern je Praxis. „Somit können einzelne Ärzte oder Psychotherapeuten die Obergrenzen überschreiten. Entscheidend ist, dass die gesamte Praxis nicht mehr Videokontakte abrechnet als vorgegeben ist“, so die Körperschaft.
Wichtig ist demnach: Die Obergrenzen gelten nur, wenn Patienten in einem Quartal ausschließlich in der Videosprechstunde versorgt werden. Fälle, bei denen der Kontakt per Video und in der Praxis erfolgten, würden nicht mitgezählt.
Eine weitere Verständigung betrifft die Vergütung von Videosprechstunden. Ärzte und Psychotherapeuten erhalten seit dem 1. April einen Zuschlag zur Grund-, Versicherten- oder Konsiliarpauschale von 3,72 Euro (30 Punkte), wenn die Behandlung eines bekannten Patienten in einem Quartal ausschließlich per Video stattfindet.
Der Zuschlag wird der KBV zufolge durch die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zugesetzt. Er wird dafür gezahlt, dass sich die Praxis bei Bedarf um die Anschlussversorgung des Patienten kümmert, ihm zum Beispiel zeitnah einen Termin in der Praxis anbietet. Die Vergütung erfolgt innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen aus Finanzmitteln, die für telemedizinische Anwendungen bereitstehen.
Der Beschluss sieht nach Informationen der KBV außerdem vor, dass seit 1. April auch Nuklearmediziner Videosprechstunden durchführen und abrechnen dürfen. Der Bewertungsausschuss hat zudem klargestellt, dass Haus- und Kinderärzte, die Patienten in der Videosprechstunde einen Termin beim Facharzt vermitteln, den Zuschlag für den Hausarzt-Vermittlungsfall abrechnen können.
Außerdem gibt es zum 1. Juli eine Änderung beim Technikzuschlag. Der Höchstwert, bis zu dem er dann abgerechnet werden kann, wird auf 700 Punkte abgesenkt, so die KBV. Er wird demnach zukünftig bei 18 Videosprechstunden im Quartal erreicht. Der Grund für die Absenkung sind die gesunkenen Preise von Videodienstanbietern.
Kritik kommt vom Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV). Er sieht in der Neuregelung die digitale Versorgung weiter ausgebremst. Auch verschärfe diese bestehende Versorgungslücken. Für den Verband sind besonders „unbekannte“ Patienten – also Menschen, die 4 Quartale nicht in der Praxis waren – betroffen.
Die Neudefinition führe faktisch zu einer drastischen Einschränkung der telemedizinischen Versorgung für genau jene Gruppen, die sie dringend benötigen, hieß es vom SVDGV. „Was hier als Verbesserung verkauft wird, ist in Wirklichkeit eine strukturelle Ausgrenzung“, sagte SVDGV-Vorstand Paul Hadrossek. Gerade gesetzlich Versicherte ohne Hausarzt in unterversorgten Regionen würden so von digitaler Versorgung ausgeschlossen.
Darüber hinaus sei auch die Obergrenze für bekannte Patienten auf 50 Prozent medizinisch nicht begründbar. Für ihn erschließt es sich nicht, warum Ärztinnen und Ärzte nicht selbst entscheiden dürfen, welchen Anteil ihrer Patienten sie telemedizinisch versorgen wollten.
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