Viele Länder verabschieden sich vom DRG-System

Hamburg – Immer mehr OECD-Länder verabschieden sich von dem System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG). Das geht aus der Studie „Activity-based funding based on diagnosis-related groups. The end of an era?“ der Universität Hamburg hervor, das dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) vorliegt.
Um die Ausgaben zu senken, die Effizienz innerhalb des Systems zu erhöhen und die Wartezeiten der Patienten zu reduzieren, haben die zehn betrachteten OECD-Staaten vier verschiedene Maßnahmen ergriffen, um das DRG-System zu reformieren. Analysiert wurden dabei die Entwicklungen in den USA, in Kanada (Ontario), Australien, Deutschland, Frankreich, England, Polen, Österreich, Dänemark und Norwegen.
„Das Finanzierungssystem hat einen direkten Einfluss auf die Art der Patientenversorgung, die die Krankenhäuser anbieten“, heißt es in der Studie. „Zurzeit verwenden die meisten OECD-Länder eine Form des DRG-Systems, die Aktivität mit Erlösen belohnt.
Dadurch werden klare Anreize gesetzt, um das Leistungsvolumen zu erhöhen.“ Zu den Nachteilen des Systems zählten dabei ein Überangebot in der Versorgung und fehlende Anreize, eine hohe Behandlungsqualität zu erbringen. Dabei seien die Krankenhauskosten vielfach der größte Posten innerhalb der Gesundheitsausgaben.
Viele negative Auswirkungen
„Viele negative Auswirkungen des DRG-Systems sind mittlerweile bekannt“, sagt die Autorin der Studie, Ricarda Milstein von der Universität Hamburg, dem DÄ. „Dazu zählen die starke Mengenentwicklung, eine Nichteinbeziehung von Qualität in die Vergütung und eine Benachteiligung von bedarfsnotwendigen kleineren Kliniken im ländlichen Raum sowie von Maximalversorgern.“
Aus den starken Anreizen zur stationären Behandlung resultiere zudem eine Überlastung des Personals, beispielsweise mit Fällen, die auch in einem anderen Setting gut behandelt werden könnten.
Zwei Aspekte findet Milstein am deutschen DRG-System besonders problematisch: „Erstens hat sich Deutschland für einen sehr extremen Weg entschieden und das DRG-System fast zur alleinigen Einkommensquelle im Bereich der Betriebsmittel erhoben. Damit unterliegt fast die gesamte Leistungserbringung den Anreizen des DRG-Systems. Das ist zu extrem.“
Und zweitens habe Deutschland für eine puristische Variante des DRG-Systems gewählt. „Preise werden beispielsweise nicht an regionale und Krankenhauscharakteristika angeglichen“, sagt Milstein. „Das behindert faire Wettbewerbsbedingungen.“
Trend zu pauschalen Budgets
In der Studie wurden vier Trends innerhalb der untersuchten OECD-Staaten zur Umgestaltung des DRG-Systems identifiziert. Dazu zählen die Einführung von fixen Budgets, die unabhängig vom Leistungsvolumen gezahlt werden, und eine sogenannte episodenbasierte Vergütung. Pauschale Budgets haben fünf der zehn Länder eingeführt.
„Eine Kombination aus Fallpauschalensystem und globalen Budgets gibt den Krankenhäusern eine finanzielle Grundsicherung, erhält aber auch den Anreiz des Fallpauschalensystems zu innovativen Behandlungen, weswegen ein Teil des Fallpauschalensystems erhalten bleiben sollte“, sagt Milstein.
Norwegen, zum Beispiel, kombiniere beide Systeme zu gleichen Teilen. Hier setzt sich das Krankenhausbudget zu 50 Prozent aus einer fixen Pauschale zusammen und zu 50 Prozent aus einer DRG-Vergütung anhand der erbrachten Einzelleistungen.
„Bei der episodenbasierten Vergütung erhalten zum Beispiel ein Krankenhaus und ein niedergelassener Leistungserbringer gemeinsam Geld für den gesamten Handlungspfad, also beispielsweise fiktiv 15.000 Euro, die die Voruntersuchung, die Operation inklusive aller dazugehörigen Leistungen und die Nachuntersuchung beinhalten“, erklärt Milstein.
„Die USA haben hierfür bereits mit einer Reihe von Programmen experimentiert.“ Besonders erfolgreich seien sie, wenn der Behandlungspfad klar und standardisiert sei. „Hüft- und Knie-TEPs haben sich als besonders erfolgreich herauskristallisiert und zeigen Einsparungen von ein bis zwei Prozent auf, ohne dass es zu Qualitätseinbußen kommt“, sagt Milstein. „Frankreich hat diese Art der Vergütung für Hüft- und Knie-TEP und für die Kolektomie bei Krebs eingeführt.“
In Deutschland beschäftigt sich derzeit die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) eingesetzte Regierungskommission mit der Frage, wie die Krankenhausfinanzierung reformiert werden sollte. „Ich begrüße es sehr, dass sich die Bundesregierung die Reform des DRG-Systems in dieser Legislaturperiode zum Ziel gesetzt hat. Sie sollte absolute Priorität haben“, betont Milstein. „Denn die Wahl des Vergütungssystems hat direkte Auswirkungen auf die Leistungserbringung und damit eine direkte Hebelwirkung.“
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: