Vierter Vogelgrippe-Nachweis beim Menschen in den USA nach Kontakt mit Milchkühen

Washington – Zum vierten Mal innerhalb weniger Monate ist bei einem Menschen in den USA eine Vogelgrippevirusinfektion nach Kontakt mit betroffenen Milchkühen nachgewiesen worden – nun erstmals im Bundesstaat Colorado. Das teilte die US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Prevention and Control (CDC) gestern mit.
Wie bei den bisherigen Fällen habe die Frau in einem Milchviehbetrieb gearbeitet und sei dort H5N1-infizierten Kühen ausgesetzt gewesen. Im April war ein erster Vogelgrippefall bei einem Arbeiter einer Milchviehfarm in Texas bekannt geworden, anschließend zwei weitere Fälle in Michigan.
Die Patientin in Colorado habe lediglich leichte Symptome an den Augen gezeigt und ein antivirales Medikament erhalten. Seitdem habe sie sich erholt, hieß es. Die CDC riefen jedoch erneut zu Vorsichtsmaßnahmen für Farmarbeiter auf, die mit infizierten Kühen in Kontakt kommen.
Die CDC betonen, die Influenzasurveillance-Systeme würden insbesondere in den vom Ausbruch betroffenen Staaten genau betrachtet. Es gebe keine Anzeichen ungewöhnlicher Influenzaaktivität beim Menschen, auch nicht in der syndromischen Surveillance.
Fachleute gehen allerdings davon aus, dass es in den USA weitere, nicht erfasste Fälle bei Menschen geben dürfte. Medien hatten über entsprechende anekdotische Schilderungen von Veterinärmedizinern berichtet. Zudem sollen auf den Farmen auch viele Menschen ohne Papiere beschäftigt sein, was mutmaßlich zu einer Untererfassung führt.
Nach CDC-Angaben wurden seit Ausbruchsbeginn etwas mehr als 50 Menschen auf Vogelgrippe getestet. Mindestens 780 Menschen seien überwacht worden, für zehn Tage nach einer Exposition mit infizierten Kühen.
Unter einem solchen Monitoring stand laut CDC auch die Arbeiterin in Colorado: Sie habe sich während dieser Zeit wegen ihrer Symptome an staatliche Behördenmitarbeiter gewendet. Im Bundesstaat selbst seien die Testergebnisse nicht schlüssig gewesen, erst zusätzliche Untersuchungen durch die CDC hätten zum H5-Nachweis geführt.
Nun würden noch weitere genetische Analysen vorgenommen, um mögliche Virusveränderungen zu erkennen. Dies könne die Risikobewertung der Behörde für die Allgemeinbevölkerung ändern, hieß es. Nach wie vor wird dieses derzeit als niedrig eingeschätzt.
Das Vogelgrippevirus H5N1 hat in den vergangenen Monaten zunehmend auf Säugetiere übergegriffen, unter anderem auf Milchvieh in den USA. In mehreren US-Bundesstaaten sind bisher knapp 140 Kuhherden nachweislich infiziert. Befürchtet wird auch hier eine Dunkelziffer.
Viele US-Rinderfarmen sind riesig, teils werden deutlich mehr als 1.000 Tiere gehalten. In einem Massenbetrieb fallen Infektionen nicht unbedingt sofort auf – und Farmer sind nicht erpicht darauf, im Zuge von Nachweisen womöglich den ganzen Betrieb lahmgelegt zu bekommen. Die Epidemie wurde erstmals im März festgestellt.
Auch wenn das Virus den bisherigen Erkenntnissen zufolge nicht von Mensch zu Mensch übertragen wird, halten Experten H5N1 grundsätzlich für einen möglichen Pandemiekandidaten, sollte es zu einer weiteren Anpassung kommen.
Auch eine weitere Ausbreitung unter Kühen könnte folgenschwer sein: Weltweit werden 1,5 Milliarden Rinder gehalten, wie der Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Martin Beer, sagte. Bekommen die USA den Erreger nicht in den Griff, „hätte man unter Umständen weltweit eine völlig neue Rinderkrankheit“.
Noch lasse sich nicht absehen, ob die schleppend beginnenden Gegenmaßnahmen in den USA rechtzeitig greifen. „Es kann sein, dass der Spuk in einiger Zeit vorbei ist“, sagte Beer. „Wenn das Virus inzwischen nicht schon lernt, effizient über die Nase von Rind zu Rind weitergegeben zu werden.“ In diesem Fall lasse sich eine weitere Verbreitung nur noch schwer stoppen.
Bei Tests und Schutzmaßnahmen existiere ein Flickenteppich an Regeln, ein umfassendes, USA-weites gezieltes Suchen nach infizierten Rindern und strenge Sperrmaßnahmen gebe es bisher nicht.
„In Europa wäre das einheitlicher“, sagt Beer. Auch gebe es hier – ein Erbe aus der Zeit der Rinderseuche BSE – quasi das „gläserne Rind“, also eine durchgängige Nachverfolgbarkeit aller Rinder mit einer eindeutigen Kennzeichnung und entsprechende Datenbanken. In den USA fehle das.
Die US-Behörden scheinen weit davon entfernt, die Verbreitung der Vogelgrippe unter Rindern schnell zu stoppen. Zwar seien erste Überwachungsprogramme für mehr Tests initiiert worden, allerdings meist auf freiwilliger Basis, sagt Beer. „So etwas klappt eigentlich nur, wenn es verpflichtend ist. Sonst bleiben Lücken.“
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: