Weiter Streit um Aufnahme neuer Leistungen in die gesetzliche Krankenversicherung

Düsseldorf – Die Debatte um Pläne des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), künftig per Verordnung neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) festzulegen, reißt nicht ab. Diese Pläne für eine „Verordnungsermächtigung“ hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor wenigen Tagen in die Diskussion um das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingebracht.
Nach Kritik – unter anderm von Gemeinsamem Bundesausschuss (G-BA) und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) – hat jetzt die wissenschaftliche Fachwelt das Vorhaben scharf kritisiert. So lehnt die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) eine „solche Generalermächtigung des BMG strikt ab“, weil sie eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik untergrabe, den Umstand missachte, dass das BMG bereits nach geltender Rechtslage im Einzelfall die Möglichkeit habe, eine Behandlungsmethode zur Kassenleistung zu machen, und weil sie geeignet sei, notwendige Studien zur Erprobung von Verfahren zu verhindern. Der geplanten Generalermächtigung des BMG sei daher „entschieden entgegen zu treten“, so die AWMF.
Das Deutsche Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (DNEbM) hat den Vorstoß des Gesundheitsministers nach eigenen Angaben „mit Befremden“ zur Kenntnis genommen. „Die Abkehr von den Entscheidungskriterien des G-BA bedeutet auch eine Abkehr von den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin – einer Errungenschaft, die die Grundlage einer effektiven, sicheren und effizienten Patientenversorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt“, warnt das Netzwerk. Aus Sicht des DNEbM „besteht keine Not, das in den letzten 20 Jahren entwickelte, etablierte und auch international anerkannte Vorgehen bei der Entscheidungsfindung über medizinische Leistungen infrage zu stellen oder um einen alternativen Weg zu ergänzen“.
Als eine „eklatante Gefahr für die Patientenversorgung“ hat der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bayerns die Pläne Spahns bezeichnet. Werde der G-BA ausgeschaltet, drohe die Gefahr, dass mächtige Interessensgruppen oder Industriekonzerne ihre Belange im Gesundheitswesen ohne ausreichende wissenschaftliche Erkenntnisse durchsetzen könnten.
Die Pläne des Gesundheitsministers begrüßt hat hingegen der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD). Die demokratische Legitimation des G-BA stehe für den Verband schon längere Zeit infrage. „Wesentliche Entscheidungen über medizinisch sinnvolle Leistungen, etwa zur Krebstherapie, sollten nicht einer Übermacht der Krankenkassen im G-BA überlassen bleiben. Wir sehen ja seit Langem, was dabei herauskommt“, hieß es aus dem Verband. Der VKD fordert daher eine neue Struktur, die insbesondere den Krankenhäusern mehr Mitspracherechte gebe. „Ansonsten verliert dieses Gremium immer mehr von seiner Legitimation in der Praxis“, so der Verband.
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