Wenker warnt vor Stigmatisierung alter Menschen in der Coronakrise

Hannover – Die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN), Martina Wenker, hat vor einer Stigmatisierung alter und kranker Menschen in der Coronakrise gewarnt. „Ich sehe es mit großer Sorge, dass die Politik momentan alle über 65-Jährigen und Vorerkrankten zu einer sogenannten Risikogruppe zählt und diesen Menschen eine Zwangsquarantäne auferlegt", sagte sie.
Diese pauschale Einteilung von Menschen sei strikt abzulehnen. „Jeder einzelne Mensch hat das Recht, selbst zu entscheiden, wie er leben und sterben möchte – auch in Zeiten der Coronaandemie", so die Medizinerin.
Sie unterstützte zugleich die Aussagen von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, wonach die Würde des Menschen höher zu gewichten sei als der Schutz des Lebens an sich. Wenker erinnerte an die sozialen und gesellschaftliche Folgen der Coronamaßnahmen.
„Die Menschen sind im Moment reihenweise verunsichert, ob sie ins Krankenhaus gehen sollen. Das ist fatal“, sagte Wenker. Für Bewohner von Pflegeheimen sowie für Sterbende und ihre Angehörigen stelle das Besuchsverbot in stationären Einrichtungen eine große seelische Belastung dar.
Aus Sicht der ÄKN-Präsidentin ist eine Öffnung der Seniorenheime wieder möglich, wenn Bewohner und Mitarbeiter regelmäßig auf Infektionen getestet werden. In den Laboren gebe es dafür inzwischen genügend Kapazitäten. Auch Besuche bei Sterbenden müssten wieder möglich sein, forderte Wenker.
Die Ärztekammerpräsidentin hatte diese Woche gemeinsam mit den beiden großen Kirchen und der Politik die Einrichtung eines Ethikrats in Niedersachsen vorgeschlagen, der Entscheidungsträger bei ethischen und gesellschaftlichen Fragen im Zusammenhang mit der Coronapandemie beraten soll. Darin sollen nach Vorstellung der Initiatoren neben Ärzten und Theologen auch die Wohlfahrtsverbände und weitere Wissenschaftler vertreten sein.
„In der Akutphase der Pandemie war es völlig richtig, schnell zu handeln", sagte Wenker. Aber nun beginne eine mehrmonatige chronische Phase dieser Erkrankung. „Für diese Zeit braucht es einen Beirat, der losgelöst vom politischen Tagesgeschäft selbstständig Lösungswege für aktuelle Probleme erarbeitet.“
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