Medizin

Wie Bakterien Klinikneubauten erobern

  • Montag, 29. Mai 2017
psdesign1 stock.adobe.com
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Chicago – Kliniken sind Ökosysteme, zu deren Bewohnern nicht nur Personal, Patien­ten und ihre Besucher gehören, sondern auch die vielen Bakterien, die Körperober­flächen und -höhlen besiedeln. Das Hospital Microbiome Project beschreibt in Science Translational Medicine (2017; 9: eaah6500), wie die Bakterien sich in einer neuen Klinik ausbreiteten.

Zwei Monate bevor die Universität von Chicago ihre neue Klinik, das „Center for Care and Discovery“, eröffnete, hat ein Team um den Mirobiologen Jack Gilbert begonnen, in zehn Patientenzimmern und zwei angrenzenden Schwesternzimmern Abstriche von Türen, Betten und Böden zu entnehmen. Die Untersuchungen wurden in den folgenden Monaten wiederholt, in denen wechselnde Patienten auf der Station versorgt wurden.

Bei allen Patienten wurden Abstriche von Händen, aus Nasenlöchern und Achselhöhlen entnommen. Insgesamt kamen mehr als 10.000 Proben zusammen, von denen 6.523 die DNA von Bakterien enthielten. Der genetische Fingerabdruck erlaubte eine Zuordnung zu den einzelnen Bakterienarten, und die Forscher konnten so feststellen, wie sich das Mikrobiom einer Klinik nach der Inbetriebnahme veränderte. 

Noch bevor die ersten Patienten eintrafen, waren bereits Bakterien vorhanden. Es handelte sich um Acinetobacter und Pseudomonas, die bei den Bauarbeiten einge­schleppt wurden. Schon bald nach der Inbetriebnahme änderte sich das Spektrum. Jetzt enthielten die Abstriche vor allem Corynebakterien, Staphylokokken und Strepto­kokken, die auch auf der Haut der Patienten vorhanden waren.

Gilbert beschreibt eine steigende Biodiversität und die schleichende Ausbreitung der Patientenkeime. Am ersten Tag gelangten Keime von Bettgittern, Arbeitsplatten und Wasserhähnen zum Patienten. Schon am zweiten Tag nach der Aufnahme war eine Bewegung in die andere Richtung erkennbar. Die vom Patienten kommenden Keime breiteten sich langsam im Patientenzimmer aus.

Zwei Ergebnisse der Studie sind bemerkenswert: Zum einen gab es einen starken Ein­fluss der Jahreszeiten. In den Sommermonaten, wenn die Tage heiß und die Luft schwül ist, breiteten sich die Keime sehr viel schneller aus als in den kalten Winter­mo­naten, obwohl Klimageräte das Jahr über für eine gleiche Zimmertemperatur sorgten.

Die Auswirkungen der Antibiotikabehandlungen waren dagegen weniger stark als angenommen. Intravenös applizierte, aber auch oral eingenommene Antibiotika veränderten das Mikrobiom auf der Haut der Patienten nur unwesentlich. Topische Antibiotika hatten dagegen eine sofortige Auswirkung. Resistente Keime wurden (mit Ausnahme von Tetrazyklin-Resistenzen) häufiger in den Abstrichen gefunden, die im Patientenzimmer entnommen wurden, als auf der Haut der Patienten.

Viele Keime erwiesen sich als hartnäckig. So wurden in zwei mehr als 71 Tage auseinander liegenden Abstrichen genetisch fast identische S. epidermidis, Propionibacterium acnes, Anaerococcus und Corynebacterium gefunden. Dass dieselben Keime immer wieder von den Patienten eingeschleppt wurden, erscheint unwahrscheinlich. Gilbert vermutet, dass die Keime die tägliche Reinigung mit einer quaternären Ammonium­lösung und die Grundreinigung beim Patientenwechsel mit einer 1:1000-Bleichlösung überstanden haben könnten.

rme

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