Wirtschaftsforscher warnen vor Finanzierungslücke in gesetzlicher Krankenversicherung

Köln – Dringenden Handlungsbedarf bei der Gestaltung des Leistungskataloges und bei der Finanzierung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sieht das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW). Grund dafür ist das zunehmende Durchschnittsalter der Bevölkerung.
Laut einer Studie des Instituts kommt es bei gleichbleibendem Leistungsniveau und den heutigen Beitragssätzen zu einer enormen Finanzierungslücke in beiden Systemen: Bis 2030 könnte diese Lücke allein in der gesetzlichen Krankenversicherung auf knapp 36 Milliarden Euro pro Jahr anwachsen, bis 2040 auf rund 51 Milliarden. „In der Pflegeversicherung werden im Jahr 2030 knapp acht Milliarden und 2040 rund zehn Milliarden Euro im Jahr fehlen“, warnt das IW.
Sinkende Einkommen, steigende Ausgaben
Laut der Analyse leiden die beiden Versicherungssysteme auf zweierlei Weise unter dem demografischen Wandel: Zum einen steigen die durchschnittlichen Krankheits- und Pflegekosten mit zunehmendem Lebensalter an. Eine insgesamt ältere Bevölkerung verursacht daher Ausgabensteigerungen in beiden Versicherungszweigen – selbst wenn die Menschen in Zukunft gesünder wären, als sie es heute sind. Zum anderen werden die Beiträge einkommensabhängig erhoben. Da jedoch die Alterseinkommen im Durchschnitt unterhalb der Erwerbseinkommen lägen, sinke das durchschnittliche beitragspflichtige Einkommen.
Das Institut rechnet diesen Zusammenhang in der Studie beispielhaft vor: Im Jahr 2015 lag lag das Erwerbseinkommen bei gut 28.000 Euro pro Kopf im Jahr. Dies resultierte in einem jährlichen Beitrag von knapp 4.100 Euro für die gesetzliche Krankenversicherung. Die beitragspflichtige Durchschnittsrente betrug hingegen nur 13.900 Euro, ein Rentner zahlte im Durchschnitt ungefähr 2.027 Euro an Jahresbeitrag für die Krankenversicherung. Steigt der Anteil der Rentner unter den Beitragszahlern, sinken daher die Beiträge an die Krankenkassen.
Bleibt der Leistungsumfang der beiden Versicherungszweige konstant und ebenso die Steuerzuschüsse, wird das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung laut dem IW zwangsläufig zu steigenden Beiträgen führen: „Für die Krankenversicherung von aktuell 14,6 Prozent auf 19,2 Prozent in 2040 und für die Pflegeversicherung von derzeit 2,55 Prozent – beziehungsweise 2,8 Prozent für Versicherte ohne Kinder – auf durchschnittlich 3,2 Prozent in 2040“, heißt es in der Studie.
Die Politik sei daher gefordert, neue Ansätze und Wege für diese beiden Sozialversicherungszweige zu finden, sollen die Beitragssätze langfristig nicht aus dem Ruder laufen. „Reformen der Finanzierungsseite, aber insbesondere neue Verfahren zur Gestaltung der Leitungskataloge und neue Organisationsformen für die medizinischen und pflegerischen Leistungserbringer, die eine ressourcenschonendere Versorgung der Patienten und Pflegebedürftigen bei gleichbleibender Qualität versprechen, sind dringend notwendig“, fordern die IW-Ökonomen.
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