Ausland

Homöopathische Mittel werden in Frankreich künftig nicht mehr erstattet

  • Mittwoch, 10. Juli 2019
Braune Arzneimittelflasche mit weißen Globuli. /Wolfilser, stockadobecom
Homöopathie, bei der häufig Globuli zum Einsatz kommen, ist so beliebt wie umstritten. Zahlreiche Wissenschaftler sprechen ihr jegliche Wirksamkeit ab. /Wolfilser, stockadobecom

Paris – Homöopathische Mittel werden in Frankreich künftig nicht mehr von der Kran­kenkasse erstattet. Die derzeitige Erstattung von 30 Prozent der Kosten wird zunächst zum Jahreswechsel auf 15 Prozent abgesenkt, wie das französische Gesundheitsmi­nis­terium heute mitteilte. 2021 soll es dann gar keine Kostenübernahme mehr geben.

Frankreichs Gesundheitsministerin Agnès Buzyn erklärte, die Übergangsphase solle sowohl den Patienten als auch der Industrie Zeit zur Vorbereitung geben. Die franzö­si­sche Gesundheitsbehörde HAS war Ende Juni zu dem Schluss gekommen, dass es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für eine Wirksamkeit der Homöopa­thie gebe, um ihre Erstattung durch die öffentliche Krankenkasse zu rechtfertigen.

Buzyn räumte ein, dass es vor dem Beschluss „massiven Druck“ gegeben habe.
Fran­­­­zösische Gewerkschaften fürchten den Verlust von mehr als tausend Arbeitsplät­zen bei Herstellern homöopathischer Mittel und Händlern. Der französische Marktfüh­rer Boiron spricht von rund 1.300 gefährdeten Jobs.

Nach Angaben der Ministerin nutzt rund jeder zehnte Franzose homöopathische Mittel, etwa für Schnupfen und Halsschmerzen. Solche Krankheiten gingen aber von selbst wieder weg, betonte sie. Die Entscheidung kommt zu einer Zeit relativ ausgegli­che­ner Kassen: In den vergangenen Jahren war es der französischen Krankenversi­che­rung gelungen, ihr Milliardendefizit deutlich abzubauen.

Es gebe viele Franzosen, „die aufrichtig daran glauben“, sagte die Ministerin dem Sen­­der RTL zu der umstrittenen Wirkung der Globuli. „Aber es ist wichtig, dass jeder Euro der Sozialversicherung mit gutem Grund ausgegeben wird.“ Ein reiner Placebo­effekt reiche nicht aus.

In Deutschland kritisieren einzelne Politiker die Erstattung

Auch in Deutschland setzen sich Hersteller homöopathischer Mittel gegen Kritiker zur Wehr. Für den öffentlich geäußerten Placebovergleich hatte die Homöopathiekritikerin und Ärztin Natalie Grams dieses Jahr eine Unterlassungserklärung der Firma Hevert erhalten.

Der Hersteller homöopa­thi­scher Arzneimittel fordert für jede Zuwiderhandlung 5.100 Euro von Grams. Die MEZIS sehen die freie Meinungsäußerung bedroht. Die Abmah­nung durch die Firma Hevert-Arzneimittel stelle einen Einschüchterungsversuch dar und eine Bedrohung der freien Wissenschaft zum Schaden von Patienten.

In Deutschland zählen homöopathische Arzneimittel wie auch Gesundheitskurse zu den freiwilligen Leistungen der Krankenkassen, sogenannte Satzungsleistungen. An der Erstattung gibt es immer wie­der Kritik. So spricht sich etwa der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach dage­gen aus, dass Krankenkassen für Homöopathie aufkommen. Ebenso die jungen Libe­ralen: „Maßnahmen ohne nachgewiesene Wirksamkeit – wie Homöopathie – sollen nicht mehr von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden.“

Positionierung der Grünen könnte sich im November entscheiden

Auch eine Gruppe mehrerer Basismitglieder von Bündnis 90/Die Grünen um den Berliner Studenten Tim Niclas Demisch fordert, die Sonderrechte der Homöopathie durch das Arzneimittelgesetz, das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch und weitere Rechts­vorschriften zu beenden oder zumindest kritisch zu überdenken.

Ein entsprechender Antrag werde erarbeitet und solle zur Bundesdelegiertenkon­fe­renz der Partei vom 15. bis 17. November 2019 in Bielefeld vorgelegt werden, sagte Demisch dem Deutschen Ärzteblatt. „Wir haben bereits in den ersten Tagen nach unserer Ankündigung eines solchen Antrags zur Bundesdelegiertenkonferenz sehr viele Rückmeldungen von Parteimitgliedern erhalten, die überwiegend positiv waren, sodass wir nun sehr enthusiastisch an der Ausarbeitung des entsprechenden Antrags arbeiten.“

Konkrete Forderungen der Basisgruppe sind unter anderem, die derzeitige Registrie­rung von Homöopathika als Arzneimittel durch eine Zulassung wie bei Medikamenten mit pharmazeutischen Wirkstoffen zu ersetzen und die Erstattung nicht-evidenzbasier­ter Behandlungsmethoden durch die Krankenkassen zu beenden.

Anträge zur Bundesdelegiertenkonferenz müssen durch mindestens zwan­zig Basis­mit­glieder gestellt werden. Mittlerweile hätten neben der erarbeitenden Basis­gruppe, die aus derzeit sieben Personen besteht, mehr als 110 weitere Mitglieder der Partei ihre Bereitschaft zur Unterstützung eines solchen Antrags erklärt, so Demisch.

Die Sprecherin für Pflegepolitik, Altenpolitik sowie Arzneimittelpolitik der Grünen, Kordula Schulz-Asche, wollte sich zu den Forderungen noch nicht äußern, da der Antrag noch nicht vorliegt.

gie/afp

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