Homöopathische Mittel werden in Frankreich künftig nicht mehr erstattet

Paris – Homöopathische Mittel werden in Frankreich künftig nicht mehr von der Krankenkasse erstattet. Die derzeitige Erstattung von 30 Prozent der Kosten wird zunächst zum Jahreswechsel auf 15 Prozent abgesenkt, wie das französische Gesundheitsministerium heute mitteilte. 2021 soll es dann gar keine Kostenübernahme mehr geben.
Frankreichs Gesundheitsministerin Agnès Buzyn erklärte, die Übergangsphase solle sowohl den Patienten als auch der Industrie Zeit zur Vorbereitung geben. Die französische Gesundheitsbehörde HAS war Ende Juni zu dem Schluss gekommen, dass es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für eine Wirksamkeit der Homöopathie gebe, um ihre Erstattung durch die öffentliche Krankenkasse zu rechtfertigen.
Buzyn räumte ein, dass es vor dem Beschluss „massiven Druck“ gegeben habe.
Französische Gewerkschaften fürchten den Verlust von mehr als tausend Arbeitsplätzen bei Herstellern homöopathischer Mittel und Händlern. Der französische Marktführer Boiron spricht von rund 1.300 gefährdeten Jobs.
Nach Angaben der Ministerin nutzt rund jeder zehnte Franzose homöopathische Mittel, etwa für Schnupfen und Halsschmerzen. Solche Krankheiten gingen aber von selbst wieder weg, betonte sie. Die Entscheidung kommt zu einer Zeit relativ ausgeglichener Kassen: In den vergangenen Jahren war es der französischen Krankenversicherung gelungen, ihr Milliardendefizit deutlich abzubauen.
Es gebe viele Franzosen, „die aufrichtig daran glauben“, sagte die Ministerin dem Sender RTL zu der umstrittenen Wirkung der Globuli. „Aber es ist wichtig, dass jeder Euro der Sozialversicherung mit gutem Grund ausgegeben wird.“ Ein reiner Placeboeffekt reiche nicht aus.
In Deutschland kritisieren einzelne Politiker die Erstattung
Auch in Deutschland setzen sich Hersteller homöopathischer Mittel gegen Kritiker zur Wehr. Für den öffentlich geäußerten Placebovergleich hatte die Homöopathiekritikerin und Ärztin Natalie Grams dieses Jahr eine Unterlassungserklärung der Firma Hevert erhalten.
Der Hersteller homöopathischer Arzneimittel fordert für jede Zuwiderhandlung 5.100 Euro von Grams. Die MEZIS sehen die freie Meinungsäußerung bedroht. Die Abmahnung durch die Firma Hevert-Arzneimittel stelle einen Einschüchterungsversuch dar und eine Bedrohung der freien Wissenschaft zum Schaden von Patienten.
In Deutschland zählen homöopathische Arzneimittel wie auch Gesundheitskurse zu den freiwilligen Leistungen der Krankenkassen, sogenannte Satzungsleistungen. An der Erstattung gibt es immer wieder Kritik. So spricht sich etwa der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach dagegen aus, dass Krankenkassen für Homöopathie aufkommen. Ebenso die jungen Liberalen: „Maßnahmen ohne nachgewiesene Wirksamkeit – wie Homöopathie – sollen nicht mehr von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden.“
Positionierung der Grünen könnte sich im November entscheiden
Auch eine Gruppe mehrerer Basismitglieder von Bündnis 90/Die Grünen um den Berliner Studenten Tim Niclas Demisch fordert, die Sonderrechte der Homöopathie durch das Arzneimittelgesetz, das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch und weitere Rechtsvorschriften zu beenden oder zumindest kritisch zu überdenken.
Ein entsprechender Antrag werde erarbeitet und solle zur Bundesdelegiertenkonferenz der Partei vom 15. bis 17. November 2019 in Bielefeld vorgelegt werden, sagte Demisch dem Deutschen Ärzteblatt. „Wir haben bereits in den ersten Tagen nach unserer Ankündigung eines solchen Antrags zur Bundesdelegiertenkonferenz sehr viele Rückmeldungen von Parteimitgliedern erhalten, die überwiegend positiv waren, sodass wir nun sehr enthusiastisch an der Ausarbeitung des entsprechenden Antrags arbeiten.“
Konkrete Forderungen der Basisgruppe sind unter anderem, die derzeitige Registrierung von Homöopathika als Arzneimittel durch eine Zulassung wie bei Medikamenten mit pharmazeutischen Wirkstoffen zu ersetzen und die Erstattung nicht-evidenzbasierter Behandlungsmethoden durch die Krankenkassen zu beenden.
Anträge zur Bundesdelegiertenkonferenz müssen durch mindestens zwanzig Basismitglieder gestellt werden. Mittlerweile hätten neben der erarbeitenden Basisgruppe, die aus derzeit sieben Personen besteht, mehr als 110 weitere Mitglieder der Partei ihre Bereitschaft zur Unterstützung eines solchen Antrags erklärt, so Demisch.
Die Sprecherin für Pflegepolitik, Altenpolitik sowie Arzneimittelpolitik der Grünen, Kordula Schulz-Asche, wollte sich zu den Forderungen noch nicht äußern, da der Antrag noch nicht vorliegt.
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