Arzneimittelgesetz: Erstattungsbetrag künftig vertraulich, freie Preisgestaltung wird eingeschränkt

Berlin – Die Erstattungspreise, die der GKV-Spitzenverband mit Pharmaunternehmen für Arzneimittel mit Zusatznutzen verhandelt, sollen künftig vertraulich sein. Das sieht der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vor, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) kommt damit einer Forderung der Industrie entgegen. Diese befürchtet, dass sich niedrige Erstattungsbeträge in Deutschland negativ auf das Preisniveau in anderen europäischen Ländern auswirken könnten. Sei der Erstattungspreis nicht öffentlich bekannt, könnten für Deutschland möglicherweise sogar noch niedrigere Preise verhandelt werden als zurzeit, hofft man in Kreisen des Ministeriums. Zugleich bekräftigt man dort jedoch auch, dass der Erstattungspreis den Institutionen zur Verfügung stehen werde, die ihn zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben kennen müssten. Wer genau zu diesem Personenkreis zählt und welche Informationen dieser erhalten soll, soll in einer Verordnung bestimmt werden.
Für stabile Preise soll dem Referentenentwurf zufolge eine Umsatzschwelle sorgen. Übersteigt der Umsatz eines Arzneimittels, dem der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) einen Zusatznutzen bescheinigt hat, im ersten Jahr nach Zulassung den Wert von 250 Millionen Euro, gilt rückwirkend ab diesem Zeitpunkt der zwischen Pharmaunternehmen und GKV-Spitzenverband verhandelte Erstattungsbetrag. Bislang sind die Unternehmen im ersten Jahr nach der Markteinführung eines neuen Arzneimittels in ihrer Preisgestaltung frei. Während dieser Zeit läuft das Verfahren der Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG).
Das sei ein klares Signal an die Pharmaindustrie, heißt es aus Ministeriumskreisen. Damit solle verhindert werden, dass die Preise „im ersten Jahr durch die Decke gehen“. Von einer Umsatzschwelle von 250 Millionen Euro wären zurzeit drei Präparate betroffen. Läge die Schwelle bei 500 Millionen Euro, wären zwei, bei 100 Millionen Euro sieben und bei einer Schwelle von 50 Millionen Euro 13 Präparate betroffen, hieß es. Gäbe es die 250-Millionen-Euro-Grenze bereits, hätten die Krankenkassen bis jetzt 200 Millionen Euro sparen können.
Mehr Spielraum bei Preisen für Arzneimittel ohne Zusatznutzen
Erweitern soll sich der Spielraum von Industrie und Kassen bei den Preisverhandlungen für Arzneimittel, denen der G-BA keinen Zusatznutzen zugesprochen hat. Zurzeit gilt für diese Präparate das Preisniveau der preiswertesten Vergleichstherapie. Dabei handele es sich in der Regel um Generika, die Cent-Beträge kosteten, heißt es aus dem Ministerium. Die Folge: Pharmaunternehmen nähmen Medikamente vom Markt. Die Ärzte benötigten aber Alternativen, zum Beispiel, wenn Patienten unter Unverträglichkeiten litten, hieß es zur Begründung der geplanten Änderung aus dem BMG.
Die Ärztinnen und Ärzte sollen dem Referentenentwurf zufolge zudem besser über die Ergebnisse der Nutzenbewertung informiert werden. Dazu soll der G-BA ein Arztinformationssystem entwickeln. Dabei werde es sich nicht um eine Ampel handeln, hieß es aus dem Ministerium. Denn es gehe nicht allein um Wirtschaftlichkeitsaspekte, sondern auch um Informationen darüber, welchen Zusatznutzen ein Präparat für welche Patientengruppe habe.
Mit dem geplanten Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV sollen die Ergebnisse aus dem Dialog mit der Pharmaindustrie umgesetzt werden. Bereits Mitte Juli waren Eckpunkte bekannt geworden, die sich mit dem jetzt vorgelegten Referentenentwurf decken. Danach will das Ministerium den Pharmaunternehmen auch bei der Nutzenbewertung und Preisgestaltung von Antibiotika und Arzneimitteln für Kinder entgegenkommen.
Verlängertes Preismoratorium spart bis zu zwei Milliarden Euro
Neben der Umsetzung der Ergebnisse aus dem Pharmadialog enthält der Referentenentwurf weitere Änderungen. So soll das Honorar der Apotheker für Rezepturen und die Abgabe von dokumentationsaufwendigen Arzneimitteln wie zum Beispiel Betäubungsmitteln erhöht werden, um deren Beratungsleistung angemessen abzubilden. Insgesamt fließen so rund 100 Millionen Euro jährlich mehr an die Apotheker in Deutschland.
Außerdem wird das Preismoratorium für die Pharmaunternehmen bis Ende 2022 verlängert. Von 2018 an soll es jedoch für die Unternehmen einen Inflationsausgleich geben. In Ministeriumskreisen rechnet man durch diese Maßnahme mit Einsparungen von 1,5 bis 2 Milliarden Euro jährlich.
Der Referentenentwurf geht nun in die Abstimmung zwischen den einzelnen Regierungsressorts. Am Pharmadialog waren neben den Ministerien für Gesundheit, Forschung und Wirtschaft fünf Pharmaverbände sowie unter anderem Vertreter des G-BA und der Zulassungsbehörden beteiligt. Sie hatten 15 Monate lang über die Rahmenbedingungen der Arzneimittelversorgung sowie über den Forschungsstandort Deutschland diskutiert. Am 12. April waren die Ergebnisse von vier Treffen vorgestellt worden, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hatten.
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