Ärzteschaft

30 Jahre Ärzte ohne Grenzen: Besonderer Fokus auf die Situation von Frauen weltweit

  • Mittwoch, 7. Juni 2023
/picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Rodrigo Abd
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Berlin – Anlässlich ihres 30-jährigen Bestehens blickt die deutsche Sektion von Ärzte ohne Grenzen auf große Herausforderungen für die humanitäre Hilfe.

„Wir beobachten multiple Krisen und zeitgleich eine zunehmende Einschränkung und Bedrohung unserer Arbeit”, sagte Christian Katzer, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen Deutschland, heute bei der Jahrespressekonferenz in Berlin. Restriktive Gesetzgebungen wie aktuell die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) sowie Angriffe auf Krankenhäuser und humanitäres Personal wie aktuell im Sudan erschwerten unabhängige medizinische Versorgung. „Das hat katastrophale Konsequenzen für die zivile Bevölkerung“, betonte Katzer.

Die Organisation blickt nach eigenen Angaben kritisch auf die aktuell diskutierte Reform des europäischen Asylrechts. „Ärzte ohne Grenzen beobachtet seit Jahren, wie Menschen an den EU-Grenzzäunen im Wald erfrieren, im Mittelmeer ertrinken, illegale Pushbacks stattfinden und vulnerable Menschen in haftähnlichen Camps an den EU-Außengrenzen ausharren“, berichtete Katzer.

268,5 Millionen Euro hat die deutsche Sektion im Jahr 2022 eingenommen, das sind 52,5 Millionen mehr als im Vorjahr. Die Ausgaben von Ärzte ohne Grenzen Deutschland betrugen im vergangenen Jahr 262,2 Millionen Euro. 227,5 Millionen Euro (86,8 %) flossen in die Projekte vor Ort. Zum Vergleich: Im Gründungsjahr 1995 wurden 200.000 DM gespendet.

Schwierige Lage für Frauen im Jemen

Allein 22 Millionen Euro gingen in den Jemen, mehr als in jedes andere Land. „Das Gesundheitssystem und die wirtschaftliche Situation sind nach acht Jahren Krieg desaströs. Besonders schwierig ist die Lage für Frauen im Jemen, die sich größtenteils nur mit einem männlichen Familienmitglied fortbewegen dürfen“, berichtete Parnian Parvanta, stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Ärzte ohne Grenzen Deutschland. Die Hilfsorganisation unterhält nach eigenen Angaben im Jemen zehn eigene Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen.

Besonderen Fokus legt die Organisation bei ihrer Arbeit auf die Bedürfnisse von Frauen, die vielerorts immer noch zu wenig Beachtung finden. „Noch immer müssen Frauen weltweit sterben, weil sie schwanger werden oder unter der Geburt. 45 Prozent aller Schwangerschaftsabbrüche werden unsachgemäß durchgeführt“, erklärte Gynäkologin Parvanta. Langfristige Komplikationen seien die Folge. „In vielen Ländern haben Frauen nicht das Recht, über ihren eigenen Körper zu bestimmen“, kritisierte sie.

Frauen in Afghanistan zunehmend vom Gesundheitssystem ausgeschlossen

Eine der höchsten Müttersterblichkeit weltweit hat nach Angaben von Parvanta Afghanistan. Auch Patienten mit Mangelernährung seien dort häufig. „Momentan können in Afghanistan Frauen oft nur von Frauen behandelt werden. Doch schon jetzt hat Ärzte ohne Grenzen Schwierigkeiten, dort ausreichend weibliches medizinisches Personal zu finden ”, sagte Parvanta.

„Wenn es kein ausgebildetes weibliches Personal mehr gibt, könnten sie nicht behandelt werden.” Mädchen und Frauen dürfen seit der Machtübernahme der Taliban keine weiterführenden Schulen und Universitäten mehr besuchen. Das werde zu einem eklatanten Mangel an weiblichem medizinischem Personal führen. Frauen würden so vom Gesundheitssystem ausgeschlossen.

Klimakrise mit unmittelbaren gesundheitlichen Folgen

Auch die Auswirkungen der Klimakrise beschäftigen Ärzte ohne Grenzen zunehmend. Die Teams der Organisation sehen in den Projekten unmittelbar die gesundheitlichen Folgen für die Menschen. „Steigende Temperaturen, ausbleibende Regenzeiten und immer häufiger auftretende Extremwetterereignisse wie Wirbelstürme und Überschwemmungen haben direkte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit“, sagte Katzer bei der Jahrespressekonferenz.

Zudem verschärfe die Klimakrise bereits bestehende Probleme. „Die humanitären Bedürfnisse weltweit werden mit dem Fortschreiten der Klimakrise weit über das hinauswachsen, was wir und andere humanitäre Nothilfeorganisationen kennen und bewältigen können“, betonte der Ärzte-ohne-Grenzen-Geschäftsführer. Die Klimakrise sei so auch eine Gesundheits- und humanitäre Krise.

PB

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