Ärztin muss wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbrüche Geldstrafe zahlen

Gießen – Das Amtsgericht Gießen hat heute eine Ärztin zu 6.000 Euro Geldstrafe verurteilt, weil sie auf ihrer Homepage für Abtreibungen geworben habe. „Der Gesetzgeber möchte nicht, dass über den Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit diskutiert wird, als sei es eine normale Sache“, begründete die vorsitzende Richterin das Urteil. Bei einem Schwangerschaftsabbruch handele es sich nicht um eine normale Leistung wie beim Herausnehmen eines Blinddarms.
Der Deutsche Ärztinnenbund (DÄB) und der Deutsche Juristinnenbund (djb) kritisierten das Verfahren scharf.
Die Verteidigerin der Ärztin hatte vor Gericht erklärt, dass ihre Mandantin lediglich informiert habe, aber keine „appellative Werbung“ auf ihrer Internetseite betrieben habe. Die Anwältin kündigte an, das Urteil mit einer Revision anzufechten.
Die Medizinerin musste sich vor Gericht verantworten, weil sie auf ihrer Homepage nicht nur über Schwangerschaftsabbrüche informiert, sondern auch angegeben haben soll, Abbrüche gegen entsprechende Kosten durchzuführen. Patientinnen konnten laut Staatsanwaltschaft über einen Link zu einem Dokument mit Details gelangen. Das Gericht sieht darin einen Verstoß gegen den Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches, der Werbung für Abtreibungen verbietet.
Die Ärztin hat eine an den Bundestag gerichtete Onlinepetition mit dem Titel „Informationsrecht für Frauen zum Schwangerschaftsabbruch“ gestartet, die einen Tag vor der Gerichtsverhandlung bereits mehr als 100.000 Unterstützer hatte.
Der DÄB und der djb fordern angesichts vermehrter Strafanzeigen gegen Ärzte die Abschaffung des entsprechenden Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch. Ungewollt schwangere Frauen könnten sich über die Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs in ihrer Region nur extrem schwer informieren, weil bereits sachliche öffentliche Informationen als strafbar angesehen würden, kritisierte der DÄB. Ihr Recht auf freie Arztwahl werde so unzumutbar eingeschränkt. „Der Schwangerschaftsabbruch ist eine medizinische Dienstleistung für Frauen in einer Notlage. Darüber müssen Ärzte öffentlich sachlich informieren dürfen, ohne sich der Gefahr einer Strafverfolgung ausgesetzt zu sehen“, betonte die Präsidentin des djb, Maria Wersig.
Dies sieht der Verein „Ärzte für das Leben“ ganz anders: „Nicht umsonst ist die Abtreibung in Deutschland nach wie vor gesetzlich verboten und nur unter bestimmten Umständen straffrei. In einer humanen Gesellschaft darf dieser eklatante Verstoß gegen das elementarste aller Menschenrechte, nämlich das Recht auf Leben, nicht beworben werden“, hieß es aus dem Verein. Die „vorsätzliche Tötung eines unschuldigen Menschen vor seiner Geburt“ dürfe nie zum Tagesgeschäft einer Arztpraxis werden, betonte der Vorsitzende des Vereins, Paul Cullen.
Der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland ist juristisch im Strafgesetzbuch geregelt. Dieses enthält auch ein spezielles Arztstrafrecht, darunter ein Werbeverbot in Paragraf 219a. Dessen Tatbestand ist bereits dann erfüllt, wenn jemand „öffentlich“ und „seines Vermögensvorteils wegen“ „eigene oder fremde Dienste zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs“ anbietet. „Bei Ärzten, die von ihren medizinischen Dienstleistungen leben, sieht die herrschende juristische Meinung den Beweggrund des eigenen Vermögensvorteils in der Regel als gegeben an“, hieß es aus dem DÄB. Seit 2010 habe es zwar nur eine Verurteilung auf Grundlage des Paragrafen gegeben, die Zahl der Strafanzeigen sei aber erheblich gestiegen. „Dies weist auf zunehmende Versuche hin, die Tätigkeit von Ärzten zu kriminalisieren“, so der Ärztinnenbund.
Das bestätigt der pro-familia-Bundesverband: „Der Paragraf 219a wird zunehmend von Abtreibungsgegnern dazu benutzt, Ärzte anzuzeigen und einzuschüchtern. In der Folge nehmen viele und Ärztinnen und Ärzte und Praxen aus Angst vor Strafverfolgung sachliche Informationen von ihren Webseiten herunter“, hieß es aus dem Verband. Nach Paragraf 21 Schwangerschaftskonfliktgesetz hätten Frauen jedoch das Recht auf eine „freie Wahl unter den Ärzten, Ärztinnen und Einrichtungen, die sich zur Vornahme des Eingriffs bereit erklären“, so pro familia.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: