Politik

Datenanalyse: Länder halten Investitions­versprechen nicht ein

  • Donnerstag, 3. August 2023
/vahit, stock.adobe.com
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Berlin – Langjähriger Milliardenstau bei den Krankenhausinvestitionen: Die Bundesländer halten Berechnun­gen des Deutschen Ärzteblattes zufolge ihr Versprechen bei den Investitionskosten an die Krankenhäuser nicht ein. Die Datenanalyse zeigt auf, wie sich die Lage in den einzelnen Bundesländern entwickelt hat.

In der Analyse noch relativ übersichtlich ist die Betrachtung der bundesweiten Situation. Seit dem Jahr 2014 (Datenjahr) gibt es eine Bestandsaufnahmen zur Krankenhausplanung und Investitionsfinan­zierung in den Bundesländern von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).

Demnach lag der Investitionsbedarf insgesamt über alle Länder betrachtet im Jahr 2014 bei 5,74 Milliarden Euro und erhöhte sich über die Jahre leicht. Für 2021 wurde der Bedarf mit 6,4 Milliarden Euro angegeben. Für das laufende Jahr sind es 7,3 Milli­ar­den Euro.

Auf der anderen Seite deckten die Bundes­länder in den vergangenen acht Jahren (2014 bis 2021) jeweils weni­ger als die Hälfte der notwendigen Investitionsmittel bundesweit ab. 2014 gaben die Länder zusammen 2,78 Milliarden Euro aus, 2021 wa­ren es rund 3,29 Milliarden Euro. Diese Zahlen stammen aus der Arbeitsgruppe der obersten Landesgesund­heits­behörden (AOLG) und beziehen sich auf die in den jeweiligen Landeshaushal­ten ausge­wiesenen Mittel.

In der Summe der Jahre 2014 bis 2021 ergibt sich daraus eine Deckungslücke – nach den Daten der DKG – in Höhe von rund 24,7 Milliarden Euro. Eige­ne Berechnungen des Deutschen Ärzteblattes kommen auf eine bundesweite Lücke von rund 17,4 Milliarden Euro für den selben Zeitraum.

Das hcb-Institut und das RWI schätzen den jährlichen bundes­weiten Investiti­onsbedarf zum Erhalt der Unter­nehmenssubstanz ohne Unikli­nika auf 5,7 Milliar­den Euro. Für 2019 hatten die Institute eine Deckungslücke von 1,9 Milliarden Euro ausgerechnet. Auf acht Jahre gerechnet wären dies rund 15,2 Milliarden Euro an Fehlbeträgen.

Die Zahlen zei­gen, die Investiti­ons­kostenlücke der Bundesländer ist erheblich, auch wenn es in den Berechnungen Spann­weiten gibt.

Die Daten spiegeln darüber hinaus lediglich wider, was die Länder in den jeweiligen Jahren von 2014 bis 2021 nicht bereitgestellt haben.

Um die Lücke heute zu schließen, müss­ten unter anderem die Inflation und weitere As­pekte ein­berechnet wer­den. Die fehlende Deckungssumme dürfte damit aus heutiger Sicht um ein Vielfaches höher liegen.

Länderausgaben 1991 bis 2021

Die Zahlen der Arbeitsgruppe der obersten Lan­desgesund­heits­behörden (AOLG) ermöglichen einen detaillierten Investitionsausgabenrückblick auf die Entwicklung der vergangenen mehr als 30 Jahre bundesweit und nach Bun­desländern.

Es zeigt sich, dass die Investitionen der einzelnen Bundesländer seit 1991 über die Jahrzehnte erst sanken, um dann wieder in vielen Fällen leicht anzusteigen (siehe Grafik).

Bundesweit betrachtet liegen die Ausgaben der Länder in ihre Kranken­häuser den AOLG-Daten zufolge im Jahr 2021 unter den Ausgaben aus dem Jahr 1991.

Lagen die Investitionen der Länder 1991 in die Krankenhäuser insgesamt noch bei 3,64 Milliar­den Euro waren es 2021 rund 3,285 Milliarden Euro. Das sind etwa 350 Millio­nen Euro weniger 31 Jahre zu­vor.

Viele Länder hatten im Jahr 1993 zudem einen Peak bei den Krankenhausinvestitionen (3,90 Milliarden Euro). Ver­glichen mit die­sem Jahr ist die Differenz zwischen den Investitio­nen des Jahres 2021 noch größer. Vor 30 Jahren investierten die Länder rund 615 Milli­o­nen Euro mehr als im Jahr 2021.

Vergleichen lassen sich auch die absoluten Aus­gaben der einzelnen Bundesländer der vergange­nen 32 Jahre. Die Analyse der AOLG-Daten macht deutlich, dass die Ausga­benschwan­kungen groß sind. Nur sieben von 16 Bundeslän­dern steckten 2021 mehr Geld in ihre Kranken­häu­ser als im Jahr 1991.

Besonders groß ist die Differenz etwa in Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Stellte Brandenburg 1991 210,5 Millionen Euro bereit, sind es 2021 110 Millionen gewesen. In Berlin lag die Inves­tition in die Kliniken im Jahr 1991 bei 319,4 Millionen Euro – 2021 sind es noch 137,8 Millionen Euro ge­wesen.

Auch in Thüringen (1991: 129 Millionen Euro, 2021: 60 Millionen Euro), Sachsen (1991: 306,78 Millionen Euro, 2021: 119,5 Millionen Euro) und Sachsen-Anhalt (1991: 173,84 Millionen Euro, 2021: 60 Millionen Euro) sieht die Lage ähnlich aus. Vor allem betroffen sind die Bundesländer in Ostdeutschland.

Mögliche Einwände, dass es 1991 mehr Krankenhäuser gab, die Mittel benötigten, sind zwar richtig. Zur Erinnerung: 1991 gab es rund 2.400 Krankenhäuser in Deutschland, 2014 noch rund 2.000 – und 2021 noch rund 1.890.

Zugleich ist allerdings die Bevölkerung immer älter geworden und die Zahl der Kranken­hausbehandlungen ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen. Seit 2019 sinken die Fallzahlen allerdings wieder. Zu beachten sind zudem die unterschiedlichen Populationsgrößen und Krankenhauszahlen in den einzelnen Ländern.

Defizite in allen Bundesländern

Um die Frage zu beantworten, ob die jeweiligen Summen, die die Länder an Investitionen an die Kranken­häu­ser getätigt haben, ausreichend gewesen sind, müsste man berechnen, wie hoch die tatsächlichen Investi­tions­­kosten gewesen wären.

Seit 2014 erhebt und sammelt das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) die soge­nannten Investitionsbe­wer­tungs­rela­tio­nen. Das Institut weist damit auch die mittleren Investitionskosten je Fall aus.

Diese Zahl, die jährlich angepasst wird, lässt sich mit den jeweiligen Fall­zah­len der Krankenhäuser in den einzelnen Bundesländern (nach Entgelt­kata­log) multiplizie­ren. Aussagen von vor dem Jahr 2014 lassen sich aufgrund fehlender Daten nicht treffen.

Das Ergebnis ist in etwa das, was die Länder in dem jeweiligen Jahr in ihre Krankenhäuser inves­tieren hätten müssen – und das lässt sich wie­derum den Ausgaben der Länder gegenüber­stellen.

Obwohl etwa Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren mehr Geld für die Kliniken aufwendet, ist ein Fehlbetrag alleine seit 2014 in absoluten Zahlen von rund 5,13 Milliarden Euro aufgelau­fen. In Bayern sind es etwa 1,91 Milliarden Euro, in Niedersachsen etwa 1,48 Milliarden Euro, in Baden-Württemberg (zirka 1,17 Milliarden Euro) und Sachsen rund 1,15 Milliarden Euro. In Rheinland-Pfalz fehlt rund eine Milliarde.

Es folgen Berlin (976 Millionen Euro), Sachsen-Anhalt (857 Millionen Euro), Hessen (845 Millionen Euro), Thüringen (765 Millionen Euro), Schleswig-Holstein (475 Millionen Euro), Mecklenburg-Vorpommern (455 Millionen Euro) und Brandenburg (rund 450 Millionen Euro). Im Saarland beträgt das Defizit 346 Millionen Euro, in Hamburg 260 Millionen Euro und in Bremen 142 Millionen Euro.

In der Betrachtung leicht positiv, wenn auch nicht mit ausreichender Mittelbereitstellung, sind etwa Hessen und Baden-Württemberg zu nennen. Die Kurven zeigen im Trend seit 2004/2005 eine Aufstockung der Investitionsmittel.

Die Investitionsbewer­tungs­­rela­tionen hat das InEK und die Fallzahlen der Bundesländer das Statistische Bundesamt dem Deutschen Ärzteblatt bereitgestellt.

Berücksichtigen muss man bei der Datenanalyse, dass in den offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes auch die Fallzah­len der Universitätsklinika eingerechnet sind. Diese mussten bereinigt werden.

Bundesweit behandeln die Universitätsklinika in etwa rund zehn Prozent aller Krankenhausfälle. Für die Berechnungen der Daten auf Länderebene heruntergebrochen hat das Deutsche Ärzteblatt daher pauschal zehn Prozent aus den jeweiligen Länderfallzahlen herausgerechnet.

Ein weiteres Problem an der Fallzahlenberech­nung ist, dass die Zahl der Fälle der Krankenhäu­ser in den Jahren der Coronapan­demie deutlich gesunken ist – und damit auch die Zahl der berech­neten Investitions­kosten niedriger ausfällt als es wahrscheinlich ohne die Pandemie gewesen wäre. Zudem können dabei Informationen etwa zu Abschreibungen nicht berücksichtigt werden.

Wichtig bleibt deshalb: Es handelt sich bei den Berechnungen nicht um absolut gesicherte Zahlen. Die Er­hebung dient dazu, einschätzen zu können, ob die Bundesländer – wie sie nicht müde werden zu betonen – tatsächlich die notwendigen Investitionskosten gedeckt haben.

Alles in allem zeigen die Daten, dass kein Bundesland seit 2014 auch nur annähernd seinen Ver­pflich­tungen nach­gekommen ist, die Investitionskosten der Krankenhäuser zu decken. Die Lücken sind mit geringen Zuschlägen kaum mehr zu decken.

may/wil/cmk

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