UPD-Stiftung hängt bei Haushaltsfragen am Tropf der Krankenkassen

Berlin – Bei Haushaltsfragen geht in der künftigen Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschlands (UPD) kaum etwas ohne Zustimmung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Das geht aus dem Entwurf einer Satzung hervor, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Darin heißt es, dass die Vertreter von GKV-Spitzenverband und Verband der privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) ein Stimmrecht im Stiftungsrat bei Beschlüssen unter anderem zu Entscheidungen über die Haushaltsaufstellung und die Kontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung sowie der Rechnungslegung, einschließlich der Feststellung des Jahresabschlusses haben.
Die Vertretungen des GKV-Spitzenverbands können gegen Anträge zur Beschlussfassung Einspruch erheben, der schriftlich zu begründen ist und aufschiebende Wirkung hat. In einer Folgesitzung des Stiftungsrats können die Einsprüche nur mit einer Dreiviertelmehrheit der anwesenden Mitglieder gegen die Krankenkassen beschlossen werden. Dabei zählen Stimmenthaltungen als Nein-Stimmen.
Eine Dreiviertelmehrheit der anwesenden Mitglieder würde bei vollständiger Anwesenheit aller Stimmberechtigten eine Mehrheit von zwölf Stimmen bedeuten. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hatte den Krankenkassen in einem Papier bereits zugesichert, bei begründeten Einsprüchen auf Seiten der Kassen zu stehen.
Da von den 15 Stimmen im Stiftungsrat insgesamt zwei Stimmen dem GKV-Spitzenverband gehören und eine Stimme dem BMG müssten alle anderen Stimmberechtigten – Verbraucherschutzminsterium (1), Patientenorganisationen (7), Private Krankenversicherung (1), Bundestagsmitglieder (2) sowie der Patientenbeauftragte der Bundesregierung (1) – gegen die Krankenkassen votieren.
Die Mitglieder des Stiftungsrats werden für fünf Jahre benannt. Eine zweite Amtszeit ist möglich. Vorsitzender des Stiftungsrats ist der Patientenbeauftragte, für den keine Amtszeitbeschränkung gilt.
Neben dem Zugriff auf Haushaltsfragen sind in der Satzung auch zwei Fachausschüsse zu Grundsatzfragen und Finanzen implementiert, die der Stiftungsrat einsetzen kann. Dort sollen jeweils 13 Personen gemeinsame Beschlüsse mit Empfehlungen an den Stiftungsrat erarbeiten können. Die Mitglieder müssen nicht zugleich im Stiftungsrat sein. Dort sind die Krankenkassen ebenfalls stimmberechtigt. Die Ausschüsse sprechen Empfehlungen an den Stiftungsrat aus.
Ausgeschlossen ist für die UPD-Stiftung, dass sie Empfehlungen zur Wahl des Krankenversicherers geben darf. Das ist in der Satzung explizit so erwähnt. Die Höhe des Stiftungsvermögens ist in dem Entwurf der Satzung noch offengelassen. Sitz der Stiftung soll Berlin sein.
Zu den weiteren Organisationsfragen, die die Satzung festlegt, gehört auch die Definition der Aufgaben des Stiftungsvorstandes. Dieser besteht aus zwei Personen, die die täglichen Geschäfte der Stiftung leiten und besonders die „Informationen und Beratungen“ nach den definierten Grundsätzen gewährleisten sollen. Personalvorschläge für den Vorstand sollen die Patientenorganisationen einreichen.
Allerdings dürfen die Vorgeschlagenen Personen in den vergangenen zwölf Monaten nicht bei einer der Institutionen, die auch im Stiftungsrat sitzen, beschäftigt gewesen sein. Zwar ist dies im Gesundheitswesen bei einigen Institutionen inzwischen üblich, schränkt aber den Kreis der infrage kommenden Menschen deutlich ein. Auch dazu gibt es eine Regelung in der Satzung: Wird von der Karenzzeit „ausnahmsweise abgewichen, sind die dafür maßgeblichen Gründe schriftlich darzulegen“.
Stiftungszweck im Wesentlichen Sozialgesetzbuch V
Die Satzung legt neben zahlreichen Organisationsfragen auch den Stiftungszweck fest. Der sieht eine unabhängige, qualitätsgesicherte und kostenfreie Information und Beratung von Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen vor.
Die Beratung soll demnach „vor allem zu den Leistungen und zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung und die dabei geltenden Grundsätze der wirtschaftlichen und qualitätsgesicherten Leistungserbringung durch die Leistungserbringer“ stattfinden.
Die Beratung etwa zu Leistungen der sozialen Pflegeversicherung sind damit zwar nicht explizit ausgeschlossen, aber auch nicht gesondert erwähnt. Allerdings ist in der Satzung neuerdings die Rede von einer „Lotsenfunktion“, die die UPD künftig einnehmen soll. Diese soll „Synergieeffekte durch Kooperation und Vernetzung mit anderen relevanten bundesweiten und regionalen Akteuren und Angeboten“ nutzen, „um Doppelstrukturen zu vermeiden“.
Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die UPD bei Pflegefragen künftig auf die bereits bestehenden, aber nicht von den Krankenkassen unabhängigen Pflegestützpunkte verweisen könnte. Probleme mit der sozialen Pflegeversicherung sind bei der UPD in den vergangenen Jahren vermehrt nachgefragt worden.
Satzung liegt dem Patientenbeauftragten vor
Die Satzung ist nach erheblichen Querelen vom GKV-Spitzenverband erstellt worden und scheint weitgehend mit dem Bundesgesundheitsministerium abgestimmt zu sein. Sie liegt bereits seit dem vergangenen Freitag dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Stephan Schwartze (SPD), vor. Dieser darf bis zum 28. August Stellung nehmen. Am 31. August will der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes über die Satzung entscheiden. Die Sitzung ist öffentlich und kann online verfolgt werden.
In einer Sondersitzung des Verwaltungsrats zur UPD-Stiftung Mitte Juli hatten die Kassen, die sich zuvor dagegen gesperrt hatten, dem Willen des Gesetzgebers zu folgen und die Satzung zu erstellen, ihre Blockade zunächst aufgegeben. Begründet wurde das mit einem weitreichenden Entgegenkommen des Ministeriums bei wichtigen Fragen der UPD-Stiftung. Allerdings wollen die Mitglieder des Verwaltungsrates die Satzung final freigeben.
Die Zeit drängt, da die derzeitige Geschäftsführung und Trägerschaft der UPD sich in Auflösung befindet. Bereits Anfang Dezember soll keine Telefonberatung mehr stattfinden. Auch die Vor-Ort-Beratung wird eingestellt. Die Mitarbeiter erhalten im September ihre Kündigung. Es gehen zwar wesentliche Betriebsmittel der alten UPD an den GKV-Spitzenverband, aber befürchtet wird, dass das Wissen des Fachpersonals verlorengeht, weil es für diese keine Übergangslösung in die neue UPD-Stiftung gibt.
Grundlage für den Ärger ist vor allem, dass die UPD-Stiftung nicht aus Steuergeldern finanziert wird, wie es zahlreiche Sachverständige und auch Abgeordnete der Linken und Grünen gefordert hatten. Das hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) blockiert, wobei es Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auch nicht besonders forciert hatte.
Im Gesundheitsministerium bevorzugte man, dass weiterhin die gesetzliche Krankenversicherung, die auch derzeit die UPD finanziert, die 14 Millionen Euro für den jährlichen Betrieb der Stiftung aufbringen soll. Zugleich sollte zunächst der GKV-Spitzenverband weniger Mitspracherechte erhalten. Die Krankenkassen bewerteten das Vorgehen als verfassungsrechtlich bedenklich.
Die Haltung stützten auch Aussagen von verschiedenen Sachverständigen, wie etwa dem Juristen Gregor Thüsing. Dieser hatte zum Beispiel in einer Anhörung auf einen Antrag der Linksfraktion zur UPD im Gesundheitsausschuss des Bundestags gesagt: „Der verfassungsrechtlich sichere Weg wäre eine Steuerfinanzierung.“ Das sehen auch diverse Gutachten, wie das der Professoren Ulrich M. Gassner und Ferdinand Wollenschläger ähnlich, die eine Steuerfinanzierung für möglich halten.
Das Bundesgesundheitsministerium hielt und hält jedoch weiterhin an seiner Auffassung fest – und behauptet nun sogar, dass „keine allgemeine, steuerfinanzierte Patientenberatung auf Bundesebene geschaffen werden“ könnte. Das zeigt die Antwort auf eine schriftliche Frage der Linken-Abgeordneten im Bundestag, Kathrin Vogler, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Für Kathrin Vogler, gesundheitspolitischer Sprecherin der Linksfraktion, versteckt die Bundesregierung damit ihr eigenes Versagen aber lediglich „hinter verfassungsrechtlichen Vorwänden“. Die Steuerfinanzierung sei nach Einschätzung vieler Fachleute „nicht nur möglich, sondern sogar erforderlich“, sagte sie dem Deutschen Ärzteblatt.
„Die Anbindung der UPD an die Krankenkassen war und ist ein Konstruktionsfehler, der sich nun bitter rächt“, erläuterte sie weiter. Eine Unabhängige Patientenberatung, die weder unabhängig noch patientenorientiert sei, sei „eine Farce“.
Vogler hält die UPD für eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und fordert die Regierung dazu auf, über ihren Schatten zu springen und die Gelder aus dem Steuertopf für eine wirklich unabhängige Patientenberatung für alle Menschen in Deutschland „locker zu machen“. Die Ausgaben dafür seien „überschaubar“, könnten aber für viele Millionen Menschen in dem „undurchschaubaren Dickicht des Gesundheitssystems die Rettung“ bedeuten.
„Urgrund allen Streits ist die von Lauterbach durchgesetzte Fehlkonstruktion einer aus Kassengeldern finanzierten UPD-Stiftung“, sagte Hubert Hüppe, zuständiger Berichterstatter der Unionsfraktion im Bundestagsgesundheitsausschuss, dem Deutschen Ärzteblatt.
Die UPD-Stiftung samt Satzung hätte längst existieren können, wenn Lauterbach der praktisch einhelligen Empfehlung aller Verbände, Sachverständigen und Patientenorganisationen gefolgt wäre, die gesamtgesellschaftliche Aufgabe „Patientenberatung“ aus Steuermitteln zu finanzieren.
Dass die Patientenorganisationen solch eine Satzung hinnehmen werden, bewertet Hüppe als „sehr unwahrscheinlich“. Der Stiftungszweck schließe Beratung zur Pflegeversicherung „praktisch aus“, sagte er.
Eine Dreiviertelmehrheit, um einen Einspruch des GKV-Spitzenverbands zu überstimmen, werde „vorraussichtlich graue Theorie“ bleiben. Denn es reiche ja eine Enthaltung – etwa vom Verbraucherschutzministerium, einem der beiden Bundestagsmitglieder, dem Patientenbeauftragten oder der PKV – , um damit zu scheitern, monierte der CDU-Abgeordnete.
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