Politik

Sorgen um Patientenberatung: UPD-Stiftung im Fokus des Gesundheits­ausschusses

  • Mittwoch, 9. August 2023
/Maybaum
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Berlin – Der Gesundheitsausschuss im Bundestag hat sich inmitten der Sommerpause mit der zu gründenden Stiftung Unabhängige Patientenberatung (UPD-Stiftung) befasst. Grund sind Verzögerungen, die die Sorgen nähren, dass die UPD-Stiftung zum Jahresanfang 2024 nicht arbeitsfähig sein wird.

Die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler (Linke) hatte die Sondersitzung am 21. Juli beantragt. Sie war dann vom Ausschuss vorbereitet und vom Bundestag genehmigt worden. Hintergrund der Sondersitzung sind Vorgänge bei der Aufsetzung der neuen Stiftung.

Zur Erinnerung: Die Satzung für die UPD-Stiftung sollte nach dem Willen der Ampelkoalition der GKV-Spit­zen­ver­band erstellen, der die Arbeit der neuen Stiftung auch finanzieren soll. Der erhebliche Widerstand der Kranken­kassen war am Ende in einer Blockade des Gesetzesauftrags geendet. Mitte Juni beschloss der Ver­waltungsrat des Kassenverbandes, die Arbeit an der Satzung vollständig zu boykottieren.

Da das BMG keine Möglichkeit hatte, die Blockade aufzulösen, machte das Haus von Bundesgesundheits­mi­nis­ter Karl Lauterbach (SPD) den Krankenkassen Zugeständnisse. Dabei geht es um Widerspruchsrechte bei den künfti­gen Haushaltsberatungen der Stiftung, Einfluss auf die Besetzung der künftigen Geschäfts­führung sowie die Beratungsthemen, die sich künftig auf das Sozialgesetzbuch V und gesetzlich Krankenversicherte beziehen sollen.

Der Ausschuss tagte heute – wie üblich – nicht öffentlich. Die Sitzung war für eine Stunde angesetzt und fand nur digital statt. Wie das Deutsche Ärzteblatt erfuhr, war Lauterbach aus Termingründen nicht anwesend. Stattdessen wohnte BMG-Staatssekretärin Sabine Ditt­mar (SPD) der Sitzung bei, die auch die Gespräche mit dem GKV-Spitzenverband geführt hatte.

Dittmar hatte dem Ausschuss gestern Abend im Vorfeld der heutigen Sitzung ein Schreiben zukommen lassen, in der sie die derzeitige Situa­tion zusammenfasst. Die Staatssekre­tärin geht darin davon aus, dass der GKV-Spitzenver­band dem BMG und dem Patientenbe­auftragten der Bundesregierung in Kürze einen Entwurf einer Stiftungs­satzung vorlegen wird.

Kehrtwende des Ministeriums

Dittmar sprach darin auch das Problem des fehlenden Übergangs der alten UPD in die neue UPD-Stiftung an. Sie schreibt, ein Betriebsübergang seitens des Gesetzgebers sei „bewusst nicht vorgesehen“ gewesen. Man habe den Beschäftigten der derzeiti­gen UPD keine verbindliche Arbeitsplatzzu­sa­ge gemacht.

Das sei vonseiten des BMG in persönlichen Gesprä­chen sowohl gegenüber der Geschäftsführung wie auch dem Betriebsrat der derzeitigen UPD frühzeitig kom­muniziert worden. „Die Kündigungsankündigungen der Geschäftsführung der derzeitigen UPD erfolgten ausschließlich vor dem formalen Hintergrund, dass die Auf­gabe der bisherigen UPD am 31. Dezember 2023 endet“, so Dittmar.

Damit vollzieht das Ministerium eine vollständige Kehrtwende. Bisher hatte es geheißen, man wolle vor allem die qualifizierten Mitarbeiter halten und nahtlos ermöglichen, dass diese in der neuen Stiftung weiterarbeiten können. Schon vor Bekanntwerden des Gesetzesentwurfs hatte es vielfach die Sorge gegeben, dass das Wissen aus der UPD verloren gehen könnte.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hatte am 26. Januar dieses Jahres im Parlament in der ersten Bera­tung zum Gesetz erklärt, er wolle, dass alle Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter, die für die jetzige UPD ar­bei­ten, in die neue Struktur über­führt werden.

Dittmar hatte im Bundesrat am 31. März dieses Jahres die Bedeutung der Mitarbeitenden für die UPD ange­sprochen. „Mit der Verstetigung erhalten diese endlich eine dauerhafte Perspektive. Das freut mich sehr, denn wir können es uns eigentlich nicht leisten, diesen enormen Wissens- und Erfahrungsschatz in der Patienten­beratung zu verlieren“, so Ditt­mar. Sie würde es „sehr begrüßen“ – und der politische Wille dazu sei auch schon kommuniziert worden –, wenn viele Mitarbeitende der bisherigen UPD ihr Wissen bestmöglich auch in die künftige UPD einbrin­gen könnten.

Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung hatte in der Bundestagssitzung am 16. März erklärt, die bishe­rige UPD ende zum 31. Dezember 2023. Die neue Stiftung müsse deshalb unbedingt zum 1. Januar 2024 ihre Arbeit aufnehmen können, um die Kontinuität der Einrichtung zu wahren.

„An dieser Stelle danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der jetzigen UPD für ihre wertvolle Arbeit
und appelliere an sie: Vertrauen Sie unserem eingeschlagenen Weg! Stehen Sie uns mit Ihrem unverzicht­ba­ren Wissen und Ihrer Erfahrung zur Seite! Errichten Sie gemeinsam mit uns die neue UPD!“

Auftritt im Ausschuss unterschiedlich bewertet

Dittmar verteidigte dem Vernehmen nach heute im Ausschuss ihre Haltung und ihr Vorgehen. Sie bezeichnete die Gespräche mit dem GKV-Spitzenverband als „ganz normalen Vorgang“, wie das Deutsche Ärzteblatt von Beobachtern aus der Op­position erfuhr. Das gelte auch für die Kün­digungen an die Mitarbeiter. Das sei eine Formalie, die man habe nicht verhindern können. Die derzeitigen Mitarbeiter der UPD hätten die Sicherheit, sich bewerben zu dürfen, soll Dittmar vor den Aus­schussmitglie­dern erklärt haben.

Dazu, dass die Patientenorganisationen ihre Mitarbeit verweigern wollten, wie sie zuletzt mehrfach, auch heute wieder betont haben, sei ihr nichts bekannt. Sie habe kein offizielles Schreiben von den Patienten­orga­nisationen erhalten, soll sie im Ausschuss gesagt haben.

Dittmar glaubt dem Vernehmen nach noch daran, dass die UPD-Stiftung zum 1. Januar 2024 arbeiten kann. Der Eindruck aus den meisten Fraktionen ist hinter den Kulissen, dass das kaum zu schaffen sein wird. Einen Plan B konnte die Staatssekretärin im Ausschuss nicht präsentieren.

Aus Kreisen der Ampelfraktionen wird die Sitzung anders bewertet. So habe die Staatssekretärin „plausibel“ die derzeitige Situation dargestellt, hieß es. Es sei konstruktiv und kritisch von allen Abgeordneten nachge­fragt worden und so seien die vielen Fragen beantwortet worden.

Daher sei man mit der Sitzung „zufrieden“, da viele Fragen zum Thema der Unabhängigkeit, Mitarbeitenden, der künftigen Beratungsgegenstände sowie der Finanzierung beantwortet werden konnten. Nun warte man auf die Reaktionen der Patientenvertreter. Dem vernehmen nach seien die Mitglieder des Ausschusses fast komplett vertreten worden, trotz parlamentarischer Sommerpause und Urlaubssaison.

Opposition übt scharfe Kritik

Die Union im Bundestag zeigte sich heute mehr als enttäuscht vom Ministerium und auch der Haltung der Ampel­koalitionäre in der Fraktion. Hubert Hüppe, Berichterstatter für das Thema im Gesundheitsausschuss des Bundestags, wies darauf hin, dass sich vor allem Grüne und SPD seit Jahren für eine wirklich unabhängige Beratung eingesetzt hätten und dafür extra eine Stiftung hätten aufbauen wollen.

Doch das Konstrukt, das dafür nun noch übrig bleibe, sei „weit von dem Ziel Unabhängigkeit entfernt“. Es gebe damit keine von den Krankenkassen unabhängige Beratung. „Ich weiß nicht, wie manch einer von Grünen und SPD noch in den Spiegel gucken kann“, sagte Hüppe dem Deutschen Ärzteblatt. Er hätte erwartet, dass die Abgeordneten dem Minister zumindest hinter den Kulissen Druck machen und ihm aufzeigen, dass es so nicht gehe.

Hüppe wiederholte auch noch einmal den Fehler im Gesetz, den GKV-Spitzenverband die Stiftung finanzieren zu lassen und ihr einen so erheblichen Einfluss zu ermöglichen. „Richtig wäre gewesen, die Stiftung von An­fang an aus Steuermitteln zu finanzieren“, sagte Hüppe. Dann wäre diese unabhängig und „wir hätten das ganze Theater jetzt nicht“. Darüber hinaus wären die 14 Millionen Euro für die Stiftung „ein Klacks im Bundes­haushalt“ gewesen.

Hüppe hält es derzeit auch für kaum möglich, dass die UPD-Stiftung zum Jahresanfang vernünftig arbeiten können wird. Die Union hatte daher im Ausschuss angemahnt, den Status quo noch um ein Jahr zu verlängern, um für den Aufbau der Stiftung mehr Zeit zu haben, den bisherigen Mitarbeitern eine Perspektive zu geben und die Beratungsqualität erhalten zu können.

Der gesundheitspolitischer Sprecher der Union im Bundestag, Tino Sorge (CDU), monierte heute Lauterbachs Abwesenheit im Gesundheitsausschuss. „Während Minister Lauterbach es offenbar nicht schafft, sich persön­lich zur Zukunft der UPD und ihrer Beschäftigten zu äußern, verkündet er wortreich seine Planungen für eine Aufklärungskampagne zum Thema Cannabis. Er verfährt dabei nach der Devise: „Cannabis first, Patienten­rechte second.“

Sorge bezeichnete es als „bigott“, sich für eine Aufklärungskampagne feiern zu lassen, die überhaupt erst nötig werde, weil man mit der Cannabislegalisierung die Ursache für den Aufklärungsbedarf selbst schafft. „Die Abgeordneten des Gesundheitsausschusses hätten lieber seine Antworten darauf gehört, wie es mit der Unabhängigen Patientenberatung und ihren Beschäftigten weitergehen soll“, so Sorge.

Ates Gürpinar (Linke) zeigte sich verwundert über die Haltung des Ministeriums zu den derzeitigen Mitarbei­tern der UPD. „Durch die Kündigung, die den Mitarbeitern im September ausgesprochen wird, verliert die UPD an wichtiger Expertise“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt.

Darüber hinaus sei eine UPD-Stiftung, die von den Kassen finanziert werde, nicht unabhängig. Sollten die Patientenorganisationen sich, wie angekündigt, nicht beteiligen, und der Patientenbeauftragte der Bundes­regierung ernenne diese, sei das auch nicht „staatsfern“, sagte er. Damit sei nichts davon erreicht, was der Gesetzgeber eigentlich habe mit der UPD-Stiftung erreichen wollen.

Verbraucherzentrale will aussteigen

Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), kündigte heute Konsequenzen an, wenn sich nichts grundlegend mehr ändern sollte. Eine UPD am „Rock­zipfel der Krankenkassen“ sei „nichts wert“, erklärte sie.

„Sollte eine unabhängige und staatsferne Tätig­keit nicht zweifels­frei möglich sein, wird sich der vzbv voll­stän­dig aus der Mitwirkung an der UPD-Stiftung zurückziehen. Denn ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende“, sagte Pop.

Auch wenn die Patientenvertreter an der Stiftung nicht mehr mitwirken wollen, dürfte die Stiftung deswegen grundsätzlich erhalten bleiben. Dann jedoch nur unter Aufsicht und Vorgaben von Politik und Krankenkassen. Damit hätte der GKV-Spitzenverband sein Ziel erreicht, die UPD weitgehend abzuschaffen.

Der CDU-Parlamentarier Hüppe zeigte Verständnis für die Haltung der Patientenorganisationen. Diese würden „zu Recht aussteigen“, sagte er. So wie die Stiftung nun vom BMG geplant sei, orientiere sie sich „mehr an den Interessen der Krankenkassen“ als denen der Patienten.

Er monierte auch, dass künftig die Pflege nicht mehr zum normalen Beratungsgegenstand gehören soll. Die neue Patientenberatung soll sich nach dem Willen der Krankenkassen im Wesentlichen mit den Themen des Sozialgesetzbuchs V befassen.

bee/may

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